Die Deutsche Wirtschaft hat sich nach Einschätzung von Experten stabilisiert. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und der Bankenverband erwarten ein spürbares Anziehen der Konjunktur ab dem zweiten Halbjahr 2009. Der Einbruch im laufenden Jahr werde bei 4,9 Prozent und nicht wie bislang befürchtet bei 6,0 Prozent liegen, erklärten die Kieler Forscher am Mittwoch. Der Bankenverband erwartet ein Minus von fünf Prozent.
Das IfW hält für 2010 ein Wachstum von einem Prozent für möglich, der Bankenverband sagt sogar ein Plus von 1,5 Prozent voraus. Allerdings sei der größte Teil des Wachstums auf die starke Dynamik der Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2009 zurückzuführen, erklärten die Bankenexperten. Im Jahresverlauf werde die Wirtschaftsleistung dagegen nur noch langsam zulegen. Auch reiche der Zuwachs nicht aus, um die Überkapazitäten abzubauen, mahnten die IfW-Fachleute. Die Arbeitslosigkeit dürfte daher im kommenden Jahr weiter ansteigen.
"Die Finanzkrise ist keineswegs überwunden"
Ein wichtiger Grund für die Anhebung der Prognosen sei, dass die Nachfrage aus dem Ausland wieder anziehe. Daneben dürfte die Inlandsnachfrage zügig expandieren, nicht zuletzt aufgrund des bislang moderaten Stellenabbaus auf dem Arbeitsmarkt. Stützend wirkten zudem die gestiegenen Realeinkommen. Mittelfristig geht das IfW jedoch nur von einer moderaten Erholung der deutschen Wirtschaft von der schwersten Rezession der Nachkriegszeit aus. "Tatsächlich ist die Finanzkrise trotz einiger Fortschritte keineswegs überwunden", sagten die Experten.
Eine Belastung bleiben demzufolge nach wie vor ungelöste Probleme im Finanzsektor. Die Notenbanken hätten zwar durch niedrige Leitzinsen und massive Liquiditätsspritzen einen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems erfolgreich verhindert, schrieben die Kieler Forscher. Nun komme es aber darauf an, die Versorgung der Wirtschaft mit Geld sicherzustellen. Zum Jahresende bestehe die konkrete Gefahr einer Kreditklemme, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf. Für die Firmen sei entscheidend, dass sie einen ausreichenden Zugang zu frischem Kapital hätten. "Es muss auf jeden Fall vermieden werden, dass erste zaghafte Wachstumstriebe durch fehlende Liquidität abgewürgt werden."
In einer Umfrage des BDI und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gaben mehr als die Hälfte der Unternehmen an, mit einer Verschärfung der Kreditkonditionen zu rechnen. 28 Prozent stellten sich sogar auf eine drastische Verschlechterung ein.
Pleitewelle bei den Unternehmen
Die Krise fordert unterdessen zunehmend Opfer unter den Unternehmen: Im ersten Halbjahr stieg die Zahl der Insolvenzen um fast 15 Prozent. Der Insolvenzverwalterverband VID befürchtet einen weiteren Anstieg in den kommenden Monaten. Allein von Januar bis Juli summiert sich der Umsatzrückgang im verarbeitenden Gewerbe auf mehr als ein Fünftel.
Raum für Preiserhöhungen bleibt in diesem Umfeld nicht, zumal auch die Rohstoffpreise deutlich unter ihrem Vorjahresniveau liegen. Im August blieben die Verbraucherpreise in Deutschland stabil, und auch für das kommende Jahr befürchten Experten keinen starken Anstieg der Inflation.