hamburg Online wird's möglich: Ein Student als Kanzler

Das virtuelle Pendant zu Gerhard Schröder

Das virtuelle Pendant zu Gerhard Schröder

Pizza oder Bücher bestellen, für Hausarbeiten recherchieren, Psychotest ausfüllen - im Internet macht das alles irgendwie mehr Spaß als »offline«. Warum nicht endlich mal was richtig Langweiliges mit Leben füllen, dachten sich vor einem Jahr ein paar Studenten und haben die Politikplattform »Dol2day.de« (Democracy Online) gegründet. Jetzt ist der Kieler Ju-rastudent Jürgen Voß »Internet-Kanzler« geworden und vertritt das Projekt in der Öf-fentlichkeit.

Bei »Dol2Day« kann man seit fast einem Jahr Parteien gründen, wählen, sich organi-sieren, Gremienarbeit leisten. Also alles tun, was man noch nie tun wollte, es sei denn: es geht per Mausklick. Der Laden brummt, als wäre es ein Top-Startup. Etwa 10.000 Teilnehmer haben sich in 17 Parteien organisiert, fast jederzeit sind mindes-tens 100 Teilnehmer online und diskutieren. In den Foren kann man sich schon mal Fachinformationen über politische Theorien besorgen oder einfach die Schwarzgeld-affäre diskutieren.

Aber das ist nicht alles. Studenten würden längst gern auf das Warten in stickigen Behördenfluren verzichten. Doch das so genannte E-Government lässt noch auf sich warten. Weder Behördengänge noch Partizipation sind bisher ernsthaft via Web möglich. Das will Jurastudent Voß ändern: »Unsere Ideen haben Vorbildcharakter für reale E-Government-Projekte. Jetzt wollen wir diese im Dialog mit der realen Politik weiterentwickeln.«

Was bringt ihm das alles? »Vor allem Spaß«, sagt Voß. Und mehr. Immerhin hat Staatssekretär Sigmar Mosdorf - der Mann fürs Virtuelle in Bundeskanzler Schröders realer Regierung - ihm auf der CeBIT einen Preis der Hamburger Unternehmensbe-ratung Mummert + Partner verliehen. Die Politikkarriere kommt ins Rollen, und viel-leicht wird es ja einmal der Standardweg: Vom virtuellen Erfolg zum realen, vom Webkanzler zum echten Staatsoberhaupt?

Allerdings: Das Pizza- und Bücherbestellen im Netz verliert bekanntlich schnell den Reiz des Neuen, und irgendwann steht man doch wieder im netten Buchladen an der Ecke oder trinkt seinen Chianti beim echten Italiener. Ob die Internet-Politik die reale dauerhaft übertrumpft, ist noch offen. Der Kieler Computer-Kanzler Jürgen Voß ist zuversichtlich. (tl)

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