„Für mich wird die Zeit knapp“, sagte ich lachend, „wenn die Diskotheken wieder aufsperren dürfen, bin ich zu alt, um noch hineingelassen zu werden.“ Antwort der Teenagerin: „Du bist jetzt schon alt. Die Wahrscheinlichkeit, dass du noch hineinkommen würdest, ist gering. Also mach dir nicht zu viele Gedanken.“ Ich saß am Steuer und wir fuhren gerade an einer Kirche vorbei. Ein Schild an der Mauer wies darauf hin, dass das Gotteshaus über einen „Park & Pray“-Bereich verfüge. „Toll“, sagte die Wombi, „da musst du keinen Parkplatz suchen.“ In der Kirche werde auch gesungen und man könne ein bisschen die Hüften bewegen. „Fast wie Disco“. Sie grinste.
Ich, 44, tanze für mein Leben gern und kenne sogar einige Menschen meines hohen Alters, die diese Leidenschaft teilen. Wieso sollte es überhaupt ein Ablaufdatum dafür geben? Ich zählte ein paar Diskotheken auf, in denen ich vor über zwanzig Jahren anzutreffen war und erntete Skepsis. „Noch nie gehört.“ Oder: „Die gibt’s nicht mehr.“ Oder: „Das glaube ich nicht, dass da mal früher eine Disco drin war.“ Wie konnte es sein, dass ich in den Augen meiner Tochter eine alte Langeweilerin war, der man keine wilden Jugendjahre zutraute und die besser in die Kirche als in die Disco passte? Vielleicht lag es daran, dass ich mir vor kurzem im bevorzugten Schuhgeschäft meiner Mutter Collegeschuhe mit Luftpolster-Wohlfühl-Einlage gekauft habe.

Der Olaf und die Teenagerin lachten sich krumm, als ich mit den „Oma-Schuhen“ zuhause ankam. Sogar mein bester Freund befand, dass ich die „Waldläufer“, so heißt die Marke, besser nur zuhause tragen sollte. War es möglich, dass mir die Schuhe mit der dicken weichen Sohle den letzten Rest an Coolness genommen hatten?
Es war Zeit für eine richtig abgefahrene Geschichte, um aus der Park&Pray-Ecke wieder raus zu kommen.
„Mit zwanzig war ich auf einem Fast-Nackt-Gschnas“, lies ich die Bombe platzen, „die Leute zogen so wenig wie möglich an und es...“ – „wie bitte?“, unterbrach mich die Teenagerin, „gibt es davon Fotos? Das glaub ich jetzt nicht.“ (Gschnas wird in Österreich eine Faschingsparty für Erwachsene genannt.)
„Es gibt keine Fotos“, sage ich, „damals fotografierten wir nur zu besonderen Anlässen wie zu Weihnachten, am Geburtstag oder im Urlaub.“
„Was, wenn doch jemand ein Foto gemacht hat?“, sorgte sich die Teenagerin.
„Nein!“, sagte ich.
„Stell dir vor, es taucht noch eines auf und das stellt jemand ins Internet.“

„Na und? Es wäre jetzt auch nicht der Weltuntergang. Ich trug einen Bikini und war jung und knackig. Was ist daran so schlimm?“
„Peinlich, dass du überhaupt auf sowas gegangen bist.“
Diese Reaktion hatte ich nicht erwartet und legte noch eins nach. „Ich erinnere mich an einen Mann, der hatte nur Turnschuhe an und Alufolie um die heiklen Stellen.“
Die Teenagerin erschauderte. „Wäh, das ist ja ur-grauslich. Wo war der Papi damals, der ist sicher nicht mitgewesen, oder?“
„Deinen Vater kannte ich damals noch nicht. Der, der dabei war, trug einen Stringtanga mit Taschentuch-großem Schottenröckchen an der Vorderseite.“
„Waaaaaaaas? Oh, Gott. Die Geschichte wird immer grauenhafter.“
Jetzt war ich diejenige, die grinste.
„Wir waren jung und fanden es lustig.“
"Das findet heute niemand mehr witzig"
„Also ich kann dir garantieren, dass das heute niemand mehr witzig findet und keiner von meinen Freunden würde zu so einer Veranstaltung gehen. Schon allein wegen der Gefahr, dass die Fotos dann überall herumgeschickt werden.“
„Hmmm, ja, ihr habt es da heute nicht mehr so leicht. Es war früher unbeschwerter. Bei uns hat richtig der Bär gesteppt.“ Die Teenagerin lächelte mitleidig.
„Weißt du was - wenn die Diskotheken irgendwann wieder aufsperren, gehen wir gemeinsam hin. Dann zieh ich mir die Waldläufer an, damit mir die Füße nicht so schnell wehtun, und wir tanzen bis wir umfallen.“
„Naja“, sagte die Teenagerin, „schauen wir mal, wie es weitergeht. Planen kann man ja derzeit nichts.“ Es klang sehr erwachsen. Eine diplomatische „Sicher nicht, nur über meine Leiche“-Antwort.
„Ein Fast-Nackt-Gschnas zuhause wäre doch auch lustig, wenn die Gäste vorher die Handys abgeben. Das könnte doch richtig ...“
-„OH, GOTT, MAMI, NEIN!!!!!!!“
Hehehehehe.
Park&Pray war vorerst vom Tisch.