Anzeige
Anzeige

C. Tauzher: Die Pubertäterin Teenager-Tristesse im Lockdown: Der harte Kampf um den Humor

Teenagerin liegt traurig im Bett
Die frustrierte Tochter aufzumuntern, ist eine Sysiphos-Aufgabe
© martin-dm / Getty Images
Der monatelange Lockdown schlägt aufs Gemüt – auch der Familie von Christiane Tauzher. Besonders die Teenagerin im Haus lacht kaum noch. Ihre Mutter bläst zur Spaßoffensive. Mit gemischtem Erfolg. Dafür lernt sie ein neues Schimpfwort: Elternwitz

Wir gehören zur Spießer-Fraktion. Wir glauben tatsächlich an die Corona-Wunderwaffe "Eigenverantwortung", und ob die Teenagerin will oder nicht – und sie will nicht – sie hängt da mit drin. Soll heißen: Nein, wir erlauben keine heimlichen Corona-Partys. Nein, wir verlassen uns nicht darauf, dass "sich eh alle vorher zuhause getestet haben" und nein, wir sind von der Herdenimmunität als Allheilmittel nicht überzeugt.

Mehr von Christiane Tauzher

"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

Seit immer mehr Zeitungen darüber berichten, wie arm der Corona-Teenager sei, wieviel Erfahrung und Erlebnis ihm durchs Eingesperrtsein durch die Lappen gehe und wie unmöglich es sein werde, die verlorene Zeit hinterher wieder aufzuholen, verspannt sich die Situation bei uns zuhause zusehends.

Mittlerweile hat das dazu geführt, dass sich die Teenagerin unbeschreiblich arm findet. Neulich unterstellte sie uns am Rande eines Streits – es ging um das Entsorgen gebrauchter Wattepads – dass wir Erwachsene den Lockdown genießen würden. Ich lachte daraufhin, was die Teenagerin als Zustimmung deutete.  Worauf sich der Lockdown-Genuss beziehe, wollte sie nicht näher ausführen. Nur soviel war noch zu erfahren: "Ihr hattet eine Jugend! Ihr konntet euch austoben! Jetzt seid ihr alt und es ist euch sowas von egal, wie es weitergeht." Ich lachte jetzt nicht mehr, denn sie hatte mich alt genannt. "Ja, ihr seid alt", sagte sie noch einmal.

Selbst die Küchendisco hilft nicht 

Ich schlug zur Auflockerung vor, in der Küche Disco zu machen. Das bedeutet: Wir stellen die Discolichtmaschine auf, dröhnen uns die Ohren zu und hüpfen dazu herum. Manchmal funktioniert das.

"Glaubst du, dass das irgendwas verbessert?", fragte die Teenagerin. Ich nickte. Sie sagte: "Du bist ja so lustig. Hahaha." Das war's. Ich hatte es wieder einmal vermasselt. Wie so oft bei meinen Versuchen, sie auf andere Gedanken zu bringen. So ziemlich alles, was von mir kommt, ist entweder unlustig oder peinlich. By the way: Peinlich, habe ich gelernt, ist ein peinliches Retro-Wort, das Erwachsene, die nicht peinlich wirken wollen, vermeiden sollten. Genauso wie das Daumen-hoch-Emoji.

Ich hatte eine gute Idee, um wieder cooler zu werden und war damit total auf dem Holzweg, wie ich wenig später feststellte. Ein Freund von mir, eine richtig coole Socke (total peinliche Bezeichnung, die ich nicht verwenden hätte dürfen), schickt mir jeden Tag richtig lustige Cartoons und Karikaturen, über die er auf Instagram oder Twitter gestolpert ist. Zum Beispiel eine Motte vor dem geöffneten Kühlschrank, der mit Kleidung gefüllt ist oder ein Foto des verkeilten Frachters Evergiven mit zwei Dosen WD40-Schmierfettspray an jedem Ende. Die Bilder leitete ich der Teenagerin weiter.

Sie sah sich meine Nachrichten zwar an, reagierte aber nie. Bis ich sie darauf ansprach. "Bitte", sagte sie, "behalte deine lustigen Bildchen bei dir. Die sind echt aus der Kategorie ‚Elternwitze'"

Na gut, dachte ich und hörte auf damit. Als mir eine Freundin zu Ostern ein Foto eines Mopses mit Hasenohren mit der Überschrift "Guck mal... ein Hops!"  schickte, schnaubte ich verächtlich. Total, der Elternwitz. Triumphierend wischte ich es weg.

Abends saß die Teenagerin in der Küche lachend über ihr Smartphone gebeugt. Sie war fröhlich, wie schon lange nicht mehr. "Gibt's gute Nachrichten", fragte ich beiläufig lässig. Zu neugierig durfte man nicht sein, sonst wurde man vollkommen ausgeschlossen.

"Nein, nein", antwortete die Teenagerin und kicherte wieder. Jetzt war ich aber doch neugierig und konnte mich nicht zurückhalten. "Was ist denn so lustig?", fragte ich und wagte mich weit vor.

Die Teenagerin drehte mir das Smartphone zu und sagte: "Das!"

Christiane Tauzher: Die Pubertäterin

Seit die Pubertät unsere Tochter, die Wombi, kurz nach ihrem 13. Geburtstag in ihre Gewalt bekommen hat, halten wir die Fenster geschlossen, damit die Nachbarn nicht die Polizei rufen. Die Pubertäterin ist laut und unberechenbar, wenn sie nicht gerade wie ein Wombat schläft oder isst – was sie zum Glück oft tut.

Die Geschichten, die ich – Journalistin, 41, aus Wien, verheiratet mit Olaf, 46 – hier erzähle, handeln natürlich nicht von der Pubertäterin in meiner Familie. Nein. Sie entspringen meiner blühenden Fantasie oder stammen aus anderen Familien. Dort geht es nämlich arg zu – in den anderen Familien ...

Ich sah dem Hops ins Gesicht. Er war es, derselbe Hops, den ich als elternwitzig/unlustig/peinlich eingestuft hatte. Das gab mir zu denken. Ich hatte die Chance meine Tochter zum Lachen zu bringen vorbeiziehen lassen. Jemand anderer hatte ihr den Hops geschickt.

"Eh klar, dass du den Hops nicht lustig findest", analysierte die Teenagerin meine Reaktion.

"Ich finde ihn lustig", verteidigte ich mich.

"Ja, klar", lachte sie mich aus.

"Wirklich!!!!!"

Sie: "Besser du schaust dir wieder den Elternwitz mit der Motte und dem Kühlschrank an."

Ich: "Haha, wie witzig."

Ende.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel