Das Smartphone ist heute allgegenwärtig. Egal ob das Buchen einer Reise, der Anruf bei Verwandten oder der Schnappschuss im Alltag – ohne geht es nicht. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, um Kindern an die digitale Welt heranzuführen? Viele Eltern hadern mit der Entscheidung, wann sie ihren Sprösslingen das erste Handy überlassen. Den vielen Vorteilen stehen schließlich auch nicht ganz unbedeutende Gefahren im Internet gegenüber.
Um eine klare Antwort zu erhalten, hat die französische Regierung unter Präsident Emmanuel Macron in den vergangenen Monaten eine Studie in Auftrag gegeben, die Klarheit in die Frage bringen soll, ab wann Kinder ein eigenes Smartphone benutzen sollten. Die Ergebnisse sind überraschend: Die Autoren der Untersuchung plädieren dafür, Kinder bis zu einem Alter von 13 Jahren gänzlich ohne IPhone und Co. zu erziehen. Die Nutzung von Social Media sollte sogar erst ab 18 Jahren gestattet sein.
Kinder sollen vor Tech-Konzernen geschützt werden
Ein wichtiger Grund für die Einschätzung sei, dass Kinder vor der profitorientierten Strategie der Tech-Konzerne geschützt werden müssten. Kinder würden auf diesem Markt zur "Ware", so die Autoren. Die Konzerne zielten darauf ab, "die Aufmerksamkeit der Kinder zu fesseln und alle Formen der kognitiven Verzerrung zu nutzen, um sie vor ihren Bildschirmen einzusperren, sie zu kontrollieren, sie wieder zu beschäftigen und sie zu monetarisieren", heißt es in der Studie. "Wir wollen, dass [die Industrie] weiß, dass wir gesehen haben, was sie tun, und wir werden sie nicht damit durchkommen lassen".
Die dreimonatige Studie von Wissenschaftlern und Experten unter der Leitung der Neurologin Servane Mouton und Amine Benyamina, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Suchtkrankheiten am Paul-Brousse-Krankenhaus, geht in Bezug auf die Bildschirmnutzung gar noch einen Schritt weiter: Aus wissenschaftlicher Sicht sollten Kinder unter drei Jahren demnach gar nicht mit Bildschirmen in Berührung kommen – auch nicht mit dem Fernseher. Zudem sollte kein Kind unter elf Jahren ein Telefon besitzen. Im Alter zwischen elf und 13 Jahren empfehlen die Experten eines ohne Internetzugang. Grundsätzlich fordern die Forscher, ein Mindestalter für Smartphones mit Internetanschluss auf 13 Jahre festzulegen.
Wissenschaftler fordern weniger Bildschirmnutzung – auch im Bildungskosmos
Auch im etwas höheren Alter sehen die Wissenschaftler den Umgang mit sozialen Medien von Teenagern mehr als kritisch. So sollten Heranwachsende ab einem Alter von 15 Jahren nur Zugang zu "ethischen" Sozialen Netzwerken wie Mastodon haben. Der X-Konkurrent ist laut eigenen Aussagen als gemeinnütziges Unternehmen aufgebaut.
Profitorientierte Netzwerke wie Instagram, Facebook, Snapchat oder Tiktok sollten Teenager laut den französischen Forscher erst ab einem Alter von 18 Jahren nutzen dürfen. Außerdem sollten Jugendliche über die Notwendigkeit von genügend Schlaf aufgeklärt werden, so der Bericht.
Auch im Bildungskontext schlagen die Studienautoren starke Restriktionen vor: Für Kinder bis zu sechs Jahren sollten Bildschirme aller Art nur "stark eingeschränkt" und sehr selten für Bildungsinhalte genutzt werden, wenn sie in Begleitung eines Erwachsenen sind. In Kindergärten sollten Bildschirme vollständig verboten werden. Tablets oder andere digitale Geräten sollten demnach auch in Grundschulen nicht genutzt werden – mit Ausnahme von Kindern mit Behinderung. "Vor dem Alter von sechs Jahren braucht kein Kind einen Bildschirm, um sich zu entwickeln", erklärte Mouton. "In der Tat können Bildschirme die Entwicklung in diesem Alter behindern".
Eltern sind selbst "Opfer einer mächtigen Technologieindustrie"
Eltern, die derzeit nicht so restriktiv mit digitalen Medien umgehen, wollen die Wissenschaftler aber keinen Vorwurf machen. Sie seien selbst "Opfer einer mächtigen Technologieindustrie", die man unterstützen müsste, nicht selbst ständig am Handy zu hängen. Dies schade der emotionalen Entwicklung junger Menschen. Mit gemeint seien dabei auch Situationen, in denen Erwachsene auf ihren Handys scrollen, während sie kleine Kinder fütterten, oder Haushalte, in denen ständig ein Fernseher im Hintergrund läuft.
"Die Technik ist und bleibt ein fantastisches Werkzeug, aber sie muss im Dienste der Menschen stehen und darf diese nicht auf die Bedienung eines Produkts reduzieren", so Benyamina. Bildschirme hätten negative Auswirkungen auf Kinder "in Bezug auf ihr Sehvermögen, ihren Stoffwechsel, ihre Intelligenz, Konzentration und kognitiven Prozesse".
Die Abhängigkeit von Bildschirmen sei nicht auf das Produkt selbst, sondern auf den Inhalt zurückzuführen. "Algorithmen, die das Lustsystem immer wieder aktivieren und stimulieren und so aufgebaut sind, dass man das Interesse an den Inhalten nicht verliert, haben eine Art süchtig machende Dynamik". Deshalb müsse die gesamte Gesellschaft wachsam bleiben.
Quellen: Studie, The Guardian