Smartphones, Tablets und Laptops waren aus dänischen Klassenzimmern lange nicht wegzudenken. Dänemark setzte früh auf die Digitalisierung in den Schulen: Lernen mit dem Laptop, Hausaufgaben mit dem iPad. So sollte die Zukunft des Lernens aussehen, waren sich viele einig.
Für zahlreiche Länder rund um Dänemark war das wegweisend. Die Dänen leben ohnehin schon deutlich digitaler als wir Deutschen. Das skandinavische Land gilt seit Jahren als Vorreiter der Digitalisierung.
Doch vor einem Jahr erließ die dänische Regierung Empfehlungen zur Regulierung der Nutzung digitaler Geräte an Schulen. Und nun will sie dort Handys und Tablets komplett verbieten, per Gesetz. Das kündigte der dänische Kinder- und Bildungsminister Mattias Tesfaye in der Zeitung "Politiken" an.
Schulen sollen frei von Smartphones und Co sein
Grund für die Kehrtwende sind neue Empfehlungen der sogenannten Kommission für Wohlbefinden. Sie war 2023 von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen eingesetzt worden, um den zunehmenden Mangel an Wohlbefinden unter Kindern und Jugendlichen zu untersuchen.
"Am Dienstag wird die Regierung eine Reihe von Empfehlungen der Kommission für Wohlbefinden erhalten. Eine ihrer Empfehlungen lautet, Schulen handyfrei zu machen. Wir in der Regierung haben uns entschieden, dies zu unterstützen, weshalb wir jetzt mit der Vorbereitung einer Gesetzesänderung beginnen", sagte der Sozialdemokrat Tesfaye der "Politiken". Er betonte, dass private Handys und Tablets in der Schule nichts zu suchen haben, auch nicht in den Pausen.
Die Kommission veröffentlichte insgesamt 35 Empfehlungen. Eine davon lautet, dass alle Grundschulen frei von Smartphones, Smartwatches und privaten Tablets sein müssen. Dies soll auch für die Nachmittagsbetreuung gelten. Die Grundschulzeit in Dänemark umfasst zehn Jahre, bestehend aus einer "Kindergartenklasse" oder "0. Klasse" und den Klassen 1 bis 9.
Zuvor gab es in Dänemark nur Empfehlungen
Tesfaye hatte sich bereits im Dezember 2023 kritisch zu Bildschirmen in Klassenzimmern geäußert. "Unsere Kinder sollten keine Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment sein, dessen Ausmaß und Folgen wir nicht absehen können", sagte er damals. Statt auf Bücher zu setzen, habe man Kindern "bei der Einschulung iPads in die Hand gedrückt". Man schulde dieser Generation "eine große Entschuldigung". "Begeistert und naiv" sei man an die Digitalisierung herangegangen.
Tesfaye fühlt sich durch mehrere Studien und Untersuchungen der vergangenen Jahre unterstützt, wonach Bildschirme einen schlechten Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben.
So zeige die Pisa-Studie von 2022, dass die Lese- und Mathematikkompetenz der Schülerinnen und Schüler stark gesunken sei und unter dem Niveau der Jahrtausendwende liege. Laut der aktuellen Pisa-Studie sind die Leistungen der Schüler weltweit gesunken, aber die dänischen Schüler liegen immer noch über dem OECD-Durchschnitt im oberen Bereich – und vor Deutschland.
Die Studie zeigt aber auch, dass dänische Schüler weltweit die meiste Zeit vor dem Bildschirm verbringen, fast doppelt so viel wie der OECD-Durchschnitt. Durchschnittlich 3,8 Stunden pro Tag nutzen sie digitale Werkzeuge für Lernaktivitäten in der Schule.
Eine im Januar 2024 veröffentlichte Literaturstudie des Nationalen Instituts für öffentliche Gesundheit ergab, dass Kinder und Jugendliche, die viel Zeit mit Smartphones, Spielen, Filmen oder sozialen Medien verbringen, Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren. Konzentrationsprobleme treten demnach vor allem dann auf, wenn Kinder und Jugendliche gleichzeitig Hausaufgaben machen oder am Unterricht teilnehmen und sich dabei mit digitalen Medien beschäftigen.
Kommission empfiehlt: Smartphone erst ab 13!
Kritik am Gesetzesplan kommt aus den Schulen selbst. Dorte Andreas, Vorsitzende des Schulleiterverbandes, zeigte sich in der "Politiken" zufrieden mit den vor einem Jahr ausgesprochenen Regulierungsempfehlungen. Viele Schulen hätten bereits eigene Richtlinien entwickelt. Sie warf auch die Frage auf, ob Lehrer durch ein nationales Verbot zu "Polizisten" würden.
Caroline Helene Hermansen, Vorsitzende der dänischen Schülervereinigung, kritisierte, dass ein Gesetz die Schülerinnen und Schüler von der Suche nach Lösungen ausschließen würde.
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Ginge es nach der Kommission für Wohlbefinden, müsste Dänemark beim Verbot von Handys und Tablets noch weiter gehen. Sie empfiehlt, dass Kinder erst mit 13 Jahren ein eigenes Smartphone oder Tablet bekommen sollten. Das würde mehr Zeit und Raum für Bewegung, Freundschaften, Familie und Freizeitaktivitäten schaffen. Außerdem könne so das Einstiegsalter von Kindern und Jugendlichen in soziale Medien hinausgezögert werden. "Gleichzeitig könnte es den Druck auf die Eltern verringern, ihren Kindern ein Smartphone zu geben, wenn alle Kinder erst mit 13 Jahren ein Smartphone bekommen", meint die Kommission. Als Alternative empfiehlt sie ein Basishandy, mit dem man nur telefonieren und SMS verschicken kann.
Wenn Kinder unter 13 Jahren ein Smartphone haben, sollten die Eltern es ihnen sogar wegnehmen, rät Rasmus Meyer, der Kommissionsvorsitzende. "In dem Moment, in dem ein Telefon in ein Kinderzimmer kommt, nimmt es den ganzen Raum ein. Es besteht die Gefahr, dass ihr Selbstwertgefühl leidet. Wenn sie dieses Gerät in die Hand bekommen, bringt das einige Herausforderungen für ihr Wohlbefinden mit sich", antwortete er bei einer Pressekonferenz auf die Frage eines Journalisten.
Kommission für Wohlbefinden: Kindern geht es größtenteils gut
Weitere der insgesamt 35 Empfehlungen der Kommission lauten:
- Eltern sollten digitale Vorbilder für ihre Kinder sein
- mehr Freizeit, Bewegung, Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche
- eine Änderung der Notenskala
Gleichzeitig nimmt das Gremium die Eltern stärker in die Pflicht.
Die Autorinnen und Autoren des Kommissionsberichts betonen aber, dass es in Dänemark keine Krise des Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen gebe. "Glücklicherweise lebt die große Mehrheit der dänischen Kinder und Jugendlichen ein gutes Leben. Das müssen wir anerkennen." Allerdings müsse man sich neuen Herausforderungen für das Wohlbefinden stellen.
Quellen: Bericht der Kommission für Wohlbefinden (Trivselskommissionen), "Politiken", "Berlingske", "Berlingske" (2), Danmarks Radio, PISA-Studie aus dem Jahr 2022, Statens Institut for Folkesundhed