muenster Münster turnt

Studenten tauschen Hörsaal gegen Turnhalle

Studenten tauschen Hörsaal gegen Turnhalle

Mein rechtes Bein schwebt in der Luft. Der Muskel, der mir ein baldiges Aufgeben signalisiert, hat sich gerade erst vorgestellt. Gegenüber, auf einer lila Bodenmatte, turnt ein lockiges Mädchen, mehr kann ich von ihr gerade nicht erkennen. Sie steht in der Liegestütze wie ich und streckt das linke Bein in die Höhe. Die Stimme von Werner, dem Trainer, wird laut: »Jetzt den entgegengesetzten Arm!« Das Mädchen folgt seinen Anweisungen, streckt den rechten Arm aus und sieht mich an. Ihre Augen funkeln vor Stolz auf ihre Kraft. So sollte diese und meine Figur wohl aussehen, aber das Handtuch unter mir hält meiner unsicheren Körperstellung nicht mehr stand und rutscht. Mein Fuß zieht mit, und ich lande bäuchlings auf dem staubigen Turnhallenboden. Liegen bleiben - bei der nächsten Übung steige ich wieder mit ein.

»Gymnastik zum Austoben« nennt sich diese sportliche Herausforderung, die an sechs Tagen in der Woche Studenten von ihren Schreibtischen in die Turnschuhe treibt. Die Halle ist voll. Drei, zwei, eins, halten - und ab. Langsam, nahezu elegant senkt die gegenüber ihre schlanken Glieder und lockert sich entspannt. Neben mir keucht ein übergewichtiger Bayer. An seinem Fluchen erkenne ich den Münchner Dialekt und dass ihm die Übung so leicht gefallen ist wie mir. Ich frage mich, ob mein Kopf die gleiche Farbe angenommen hat wie seiner. Rot ist das nicht mehr, eher lila. Die Musik wird lauter, Britney Spears hat es wieder getan - Konditionstraining! Sechzig bis siebzig junge Menschen laufen im Kreis und fuchteln im Gleichtakt mit ihren Armen. Nur noch ein paar Minuten, dann wird gedehnt, und dann ist Schluss. Die nächste Gruppe wartet schon am Eingang. Mitleidig schauen sie an unseren strapazierten Körpern herunter mit dem Wissen, dass sie sich in spätestens einer Stunde so fühlen, wie wir aussehen.

Die Zeit ist um, wir klatschen. Werner, der Übungsleiter, bedankt sich. Er ist Jurist und freut sich, jeden Dienstagabend als Ausgleich zu seinem Schreibtischjob Menschen zu körperlicher Betätigung zu motivieren - sich und uns ein bisschen zu quälen. Lächelnd, fast schadenfroh verschwindet er in der Kabine. Ich hoffe, dass meine Beinmuskulatur mich noch nach Hause bringt und morgen beim Aufstehen nicht an immer eine Körperhaltung fesselt. Ich lege das Handtuch um meine Schultern und gehe. (ck)

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