muenster Von Käfighaltung und Kommilitonen

Kein Platz mehr in der Uni?

Kein Platz mehr in der Uni?

Es sind die Zeiten, in denen jede lila Kuh auf Schokoladetafeln kritisch beäugt und jedes Gummibärchen nach seinem Stammbaum gefragt wird. Keine Frage: Die Grundsätze der Landwirtschaft werden wiedergekäut, das Thema Tierhaltung erfährt eine Renaissance. Überschäumende Empörung angesichts des einem Käfighuhn zur Verfügung stehenden Raumes, der weniger als eine Schulheftseite fasst. Doch Vorsicht: Bei näherem Hinblick entpuppt sich der Protest als halbherzig, denn selbst das eingepferchte Geflügel führt ein geradezu paradiesisches Dasein im Vergleich zu einer Spezies, deren Leid in der Öffentlichkeit kaum Erwähnung findet: dem Studenten.

Was sich in deutschen Hörsälen abspielt, grenzt an Freiheitsberaubung. Unfreiwilliger Körperkontakt in manchmal fensterlosen Räumen mit dem Charme eines Luftschutzbunkers. Da kann schon ein gerade noch erklommenes Plätzchen auf einer kalten Treppenstufe eine Freudenträne wert sein. Jahrelang fügte man sich dem Platzangstpotenzial und seinem Schicksal, doch jetzt ist in Münster der Super-GAU eingetreten. Die zwischenmenschliche Nähe unter den Studenten, die von den Professoren in der Vorlesung noch akzeptiert wird, ist ihnen in Klausursituationen ein Dorn im Auge. Frage: Wie passen 1.500 BWL-Studenten, die eine Klausur schreiben müssen, in ein Universitätsgebäude? Antwort: Gar nicht. Das hat zur Folge, dass die angehenden Manager besagte Klausur am 5. März in einer ungewohnten Umgebung zu Papier bringen werden: im Messe- und Kongresszentrum »Halle Münsterland«.

Dort, wo in gut zwei Wochen die Karnevalsgala der Schweine-Schinken-Schützen, bald auch die Agrarunternehmertage sowie die Puppen- und Bärenbörse stattfinden, findet die geistige Elite nun kurzerhand Unterschlupf. Peinlich, peinlich, von einem Desaster ist die Rede. Die zunehmende Flut von Studenten, die Ebbe in Bezug auf adäquate universitäre Räume - man sah sich zu diesem Schritt gezwungen. Peinlich? Wieso eigentlich? Wir erinnern uns: Nicht nur Bären und Bauern stand die »Halle Münsterland« zur Verfügung. Sie war auch Schauplatz solch historischer Momente wie jenem, als Thomas Gottschalk unserem illustren Bundeskanzler in einer Samstagabendshow die Hand schütteln durfte. Und doch: Trotz der vermeintlich geschickten Lösung bleibt ein merkwürdiger Beigeschmack. Wer weiß, was als Nächstes kommt - beziehungsweise wohin wir demnächst pilgern werden, um eine Klausur schreiben zu dürfen. (dg)

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