Studiengebühren Bildung als Handelsgut

Die EU-Staaten behielten sich 1994 vor, Schulen und Hochschulen nach ihrem eigenen Willen zu subventionieren. Sollte bei den GATS-Verhandlungen der Bildungsbereich einbezogen werden, könnte passieren, dass das Schiedsgericht der WTO über die Einführung von Gebühren entscheidet.

Die Diskussion um Studiengebühren flammt in Deutschland immer wieder auf. Bisher unterscheidet sich das deutsche Hochschulsystem, bei dem das Regelstudium an öffentlichen Hochschulen gebührenfrei ist, grundlegend vom amerikanischen System mit immensen Gebühren, aber auch entsprechenden Stipendien. Noch ist die Forderung nach Studiengebühren ein Streitpunkt, über den der Bundestag entscheidet. Sollte aber bei den GATS-Verhandlungen der Bildungsbereich einbezogen werden, könnte es so weit kommen, dass über die Einführung von Gebühren an deutschen Hochschulen das Schiedsgericht der WTO (Welthandelsorganisation) entscheidet.

Bisher gilt für die Europäische Union eine Ausnahmeklausel des GATS-Vertrages: Die EU-Staaten behielten sich 1994 vor, Schulen und Hochschulen nach ihrem eigenen Willen zu subventionieren. Doch die EU steht in der derzeitigen Verhandlungsrunde, die auf weitere Liberalisierung angelegt ist, unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie diese Ausnahme aufrechterhalten will. Sollte dieser Vorbehalt fallen, hätte dies weit reichende Folgen für die Bildungslandschaft in Deutschland.

Bessere Unis für die Reichen, schlechtere Unis für die Armen

Für die privaten Träger müssten dann die gleichen Bedingungen gelten wie für die öffentliche Hand. "Privatunis mit hohen Studiengebühren bekämen dann auch Subventionen", erklärt Attac-Sprecher Malte Kreutzfeldt. Dies bedeute nicht nur "bessere Unis für die Reichen, sondern auch schlechtere Unis für die Armen", da für die staatlichen Hochschulen weniger Geld zu Verfügung stünde. Im schlimmsten Fall könnten sogar ausländische Anbieter überprüfen lassen, ob das kostenlose Studium in Deutschland nicht ein mit Subventionierungen herbei geführtes Dumping-Angebot ist, das den Freihandelsregeln widerspricht.

Ob es wirklich so weit kommt, ist ungewiss. Denn nach dem derzeitigen Stand der Dinge will die EU, die wie die übrigen WTO-Mitglieder bis zum 31. März ihre Angebote vorlegen muss, zunächst kein Angebot in diesem Bereich machen. Allerdings sickerte Ende Februar ihre streng geheime Forderungsliste an andere Länder durch. „Wir wissen jetzt, dass die EU im Hochschulbereich Forderungen an die USA stellt. Es ist recht unwahrscheinlich, dass man Forderungen erfüllt bekommt, wenn man nicht selbst zu Zugeständnissen bereit ist", sagt der Politologe und GATS-Experte Christoph Scherrer. Es sei nicht auszuschließen, dass im weiteren Verlauf der Verhandlungen das Thema Hochschule auf den Tisch komme.

"Bildung ist kein 'Handelsgut'"

Außerdem liegen Scherrer zufolge von anderen WTO-Mitgliedern umfangreiche Forderungen an die EU in diesem Bereich vor. Die Logik der Verhandlungen lege so genannte Paketlösungen nahe: "Wenn etwa der wichtige Sektor der Wasserwirtschaft, in dem die EU weit reichende Forderungen gestellt hat, von den Verhandlungspartnern blockiert wird, könnte das mit Hilfe von Zugeständnissen im Bildungsbereich entblockiert werden", erklärt Scherrer. Außerdem könne mit Forderungen im Hochschulbereich Druck in randständigeren Bereichen des Bildungswesens ausgeübt werden - etwa beim Thema Weiterbildung und Testdienstleistungen. "Da geht es zu wie beim Teppichhandel", kritisiert Attac-Handelsexperte Oliver Moldenhauer.

Im Bereich der Weiterbildung wären etwa die Volkshochschulen betroffen, die momentan ein subventioniertes Bildungsangebot bereitstellen. Wenn dieses nicht mehr subventioniert und somit für den Nutzer teurer würde, wäre abzusehen, dass etwa Kurse zur politischen Bildung weniger nachgefragt und an den Volkshochschulen irgendwann nur noch Computerkurse und Ähnliches angeboten würden.

Im Bereich der Bildungstests fordern laut Scherrer die USA freien Zugang für ihre Unternehmen, die die in den USA üblichen standardisierten Tests für die Uni-Zulassung durchführen. Gerade erst beschloss die Hochschulrektorenkonferenz, dass sich die Unis bei den ZVS-Fächern in Zukunft 50 Prozent der Studierenden selbst aussuchen können, wobei derartige Tests üblicherweise ein Teil des Verfahrens sind. Sollten die USA mit ihren Forderungen Erfolg haben, dann hätten die amerikanischen Anbieter wesentlich bessere Startbedingungen, da deutsche Anbieter noch rar sind. "Dann stellt sich die Frage, welchen Einfluss man noch auf die Testfragen nehmen kann", sagt Scherrer.

Bildung ist kein gewöhnliches Handelsgut

Generell sei die Folgeabschätzung solcher Entscheidungen nicht vollzogen worden, kritisiert Scherrer. Und der Kritik an GATS schließt sich auch die Hochschulrektorenkonferenz an: "Bildung und somit auch Hochschulbildung ist kein gewöhnliches 'Handelsgut' wie sonstige Waren. Nationale und internationale Bildungspolitik darf nicht dem Primat der Handelspolitik unterworfen werden", heißt es in einer Stellungnahme.

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