Menschen, denen der Kontakt zu anderen schwerfällt oder gar unmöglich ist, haben nun in einem Café im japanischen Osaka die Möglichkeit, trotzdem einen Job in der Gastronomie zu finden.
In Japan wurde ein Café mit dem Ziel konzipiert, Menschen mit psychischen Problemen eine Beschäftigung zu bieten, von denen viele Schwierigkeiten haben, in Umgebungen zu arbeiten, die einen persönlichen Kontakt erfordern.
Durch ein Loch in einer Wand, nicht größer als ein Flugzeugfenster, werden den Kunden dort Getränke und Snacks gereicht. Das in anderen Cafés übliche Bestellritual wird durch eine haarige Bärentatze ersetzt – in diese werden die Bestellungen einerseits und anschließend die bestellten Getränke und kleineren Mahlzeiten geklemmt.
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Bärentatzen-Café
Auch gibt es hier keine Sitzgelegenheiten, sondern graue, höhlenartige Einbuchtungen, die eine besondere und durchaus auch entspannte Atmosphäre erzeugen, wie das Portal Vice.com zusammenfasst, dass als erstes über das Café in Osaka berichtet hatte. Der Verzicht auf Tische und Stühle scheint der Konzeption geschuldet, dass alle Besuchern ein Zugang zu den Wandöffnungen bereit steht. Das Flair im Osaka Kuma No Te – beziehungsweise im Bärentatzen-Café – ist nicht etwa abweisend oder gar kalt. Die Bärentatze, die für die Gäste sowohl als respektvoller Abstand als auch als Handschmeichlung wahrnehmbar ist, soll dem Personal Sicherheit verschaffen.
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Der Gründer Yuichiro Hiramura – der auch eine Schule leitet, die Beratung und Kurse zur psychischen Gesundheit anbietet – stellte fest, wie isoliert sich viele seiner Schüler während der Pandemie fühlten. Etlichen ist es auch zu schwierig, Arbeitsplätze zu finden, die keinen engen Kontakt erforderten oder ihren psychischen Probleme und deren Anforderungen ausreichend Raum gaben. "In Japan werden körperlich Behinderte und Menschen mit schweren psychischen Problemen in Krankenhäusern zwar angemessen versorgt; aber die Menschen, die als nicht 'bedürftig' genug gelten, die unter Depressionen, Angstzuständen oder Belästigungen am Arbeitsplatz leiden, haben nur sehr wenige Unterstützungssysteme, auf die sie zurückgreifen können. In diesem Café ist es unser Ziel, die Arbeitsumgebung passend zu gestalten“, sagte er gegenüber Vice.com.
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Rückläufige Suizidrate in Japan
Während der Pandemie verschärfte sich der Bedarf an psychischer Unterstützung in Japan. Trotz fast eines Jahrzehnts rückläufiger Suizide verzeichnete das Land einen enormen Anstieg der Zahl weiblicher Suizide um 15 Prozent. Die Regierung ernannte sogar einen Minister für Einsamkeit, um das Problem zu bekämpfen.
Laut Hiramura sind etwa 80 bis 90 Prozent seiner Studenten Frauen, die seiner Meinung nach Japans männerdominiertem Arbeitsplatz-System schutzlos ausgeliefert sind. "Viele Unternehmen haben immer noch die Machtstruktur der Senpai [höherrangige Mitarbeiter], was bedeutet, dass Kohai [Mitarbeiter mit niedrigerem Rang] sanktionslos der Belästigung und Ausbeutung ausgesetzt sein können. Viele unserer Studentinnen haben in solchen Umgebungen Mobbing erlebt“, sagte er.
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Auf der anderen Seite erklärte Hiramura: "Männer wiederum finden es schwierig, überhaupt psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Über seine Emotionen zu sprechen wird als schwach und unmännlich angesehen, was dazu führt, dass sich viele Männer isoliert fühlen." Megumi Ezawa, 32, eine der sechs derzeitigen Mitarbeiter des Kuma No Te Cafés, sagte, sie habe früher mit ihren Kollegen und Kolleginnen am Arbeitsplatz zu kämpfen gehabt. Sie fühlte sich oft isoliert und kämpfte mit Angstanfällen. Aber dann entdeckte sie Hiramuras Schule und sagte, sie habe gelernt, besser mit Menschen zu kommunizieren. "Ich kann gesundheitliche Grenzen ziehen und bei Bedarf Distanz zwischen mir und anderen schaffen", sagte sie gegenüber Vice.com. Als Frau, die in der japanischen Gesellschaft lebt, fühle sie sich unter Druck gesetzt, dem allgemeinen Konsens nachzugeben, anstatt zu widersprechen. "Es gibt eine Tendenz, dem zu folgen, was alle sagen, und das kann dazu führen, dass individuellen Bedürfnisse ignoriert werden", sagte sie.
Obwohl sie wegen ihres neuen Jobs im Kuma No Te Café nervös ist, freut sich Ezawa darauf, mit ihr bekannten Gesichtern zusammenzuarbeiten. "Jeder Teil des Jobs ist neu und es gibt viele Dinge zu tun, aber ich bin dankbar, mit Leuten zusammenzuarbeiten, denen ich vertraue", sagte sie. Hiramura hofft, das Café eines Tages zu einem größeren, vielseitigeren Zentrum erweitern zu können, das mit Achtsamkeits-, Meditations- und anderen Entspannungseinrichtungen ausgestattet ist. Bis dahin werden die Mitarbeiter weiterhin Kunden durch ein Fenster in die Außenwelt bedienen, getrennt, aber verbunden.