Offener Brief von Dozenten Lehrende verschiedener Hochschulen stellen sich hinter Pro-Palästina-Protest an der FU Berlin

Polizisten gehen an der FU Berlin gegen pro-palästinensische Aktivisten der Gruppe "Student Coalition Berlin" vor
Ringen am Campus der FU Berlin: Polizisten gehen gegen pro-palästinensische Aktivisten der Gruppe "Student Coalition Berlin" vor
© Sebastian Christoph Gollnow / DPA
Nach Gewaltaufrufen ließ die Universitätsleitung der Freien Universität Berlin das pro-palästinensische Protestcamp räumen. Jetzt gibt es Gegenwind aus den eigenen Reihen.

Nach der Räumung des pro-palästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin (FU) haben sich Lehrende hinter die Aktivisten gestellt. "Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt", heißt es in einem offenen Brief, den Universitätslehrer aus Berlin und von ausländischen Hochschulen unterzeichnet haben.

Am Dienstag hatten rund 150 pro-palästinensische Aktivisten zeitweise einen Hof der FU besetzt, um Zelte aufzubauen. Die Hochschule stellte ihren Lehrbetrieb vorübergehend ein,bevor sie das Camp durch Polizisten räumen ließ. 79 Personen seien vorübergehend festgenommen worden. Zudem gebe es 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitenverfahren, teilten die Behörden am Mittwoch mit.

In ihrem offenen Brief kritisierten die Dozenten, dass die Hochschulleitung das Camp ohne Gesprächsangebot hatte räumen lassen. Versammlungs- und Meinungsfreiheit seien demokratische Rechte, die auch an Universitäten geschützt werden sollten, heißt es weiter. "Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen."

FU: Gewaltaufrufe auf dem Campus

Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur verteidigte sich die FU. "Klar ist, dass es während der gestrigen Protesten zu antisemitischen, diskriminierenden Äußerungen kam, aber auch zu Aufrufen zu Gewalt", erklärte ein Sprecher. "Dies können wir, auch im Blick auf die Sicherheit und den Schutz unserer Mitglieder, nicht akzeptieren." Kritische Stimmen von Mitgliedern der FU nehme man aber sehr ernst.

Die Grenzen zwischen legitimer Israel-Kritik, Antisemitismus und Unterstützung der Terrororganisation Hamas würden erschreckend schnell überschritten, sagte Hochschulverbandspräsident Lambert Koch. "Wer Intoleranz predigt, darf nicht mit Toleranz rechnen", meinte er. "Nicht nur, aber insbesondere den jüdischen Hochschulangehörigen, die seit dem 7. Oktober auch an deutschen Hochschulen um ihre Sicherheit bangen, sind wir dies schuldig."

Studentenvertreter fordern härteres Vorgehen bei Pro-Palästina-Protesten

Das sehen die Leitungen mehrerer Universitäten und Hochschulen ähnlich: Nach der Besetzung des Audimax an der Universität in Leipzig am Dienstag wurde der Hörsaal von der Polizei geräumt. Aus Sicherheitsgründen hat sich auch die Universitätsleitung in Bremen dazu entschieden, das unangemeldete Camp auf ihrem Campus auflösen zu lassen. Am Freitag hatten Polizisten außerdem bei pro-palästinensischen Protesten an der Berliner Humboldt-Universität wegen mutmaßlicher Volksverhetzung eingegriffen.

Mehrere Studierendenverbände fordern ein konsequentes Vorgehen der Universitäten. "Die Universitätsleitungen müssen die 'Proteste' als das benennen, was sie sind: Versammlungen, die Antisemitismus salonfähig machen und die Sicherheit jüdischer Studierender massiv gefährden", heißt es in einem Schreiben der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands, des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und des Bundesverbands Liberaler Hochschulgruppen, das dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorlag.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung lobte derweil Polizei und Justiz für ihre Arbeit im Umgang mit antisemitischen Demonstrationen seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Ursprünglich waren die pro-palästinensischen Studentenproteste an mehreren Eliteuniversitäten in den USA gestartet. Vor allem das Camp an der Columbia University in New York sorgte wiederholt für Schlagzeilen. Mittlerweile finden die Proteste auch in Europa viele Nachahmer, unter anderem in London, Amsterdam, Valencia, Barcelona, Paris, Genf und Berlin.

Auslöser der Proteste ist der Krieg zwischen Israel und der Hamas. Die Studenten werfen der Regierung von unter Benjamin Netanjahu einen Genozid im Gazastreifen vor. Von dern Hochschulen und Universitäten fordern sie, jegliche Projekte und Kooperationen mit Israel einzustellen. Die Freie Universität Brüssel will deshalb nun ein wissenschaftliches Forschungsprojekt zum Thema künstliche Intelligenz mit israelischen Partnern beenden. Laufende Projekte unter israelischer Beteiligung sollen geprüft werden.

Quellen: Offener Brief von Berliner Lehrenden, mit Material von DPA