Interview Geboren im falschen Körper – zwei Menschen über ihre Transition

  • von Niclas Seydack
Transition: Amana Reiter und Henri Jakobs lächeln einander an
Henri Jakobs (l.), geboren als Frau, lebt heute als Mann. Amanda Reiter (r.) sagt über die Transition: "Ich war bereit zu sterben, um zu leben" 
© Ulrike Frömel
Henri Jakobs und Amanda Reiter wurden geboren in einem Körper, der nicht zu ihnen passte. Sie entschlossen sich zur Transition. Ein Gespräch über erste Momente und letzte Wünsche.

Dieses Stück stammt aus dem stern-Archiv und erschien zuerst im Dezember 2023. Anlässlich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes veröffentlichen wir es an dieser Stelle erneut. 

Frau Reiter, Herr Jakobs, wenn Sie an die ersten Momente denken, in denen Sie sich anders gefühlt haben in Ihrem Leben: Was fällt Ihnen da ein?
Jakobs: In der Kindheit habe ich meine Kuscheltiere tätowiert. Mit der Schere das Fell rausgeschnitten und die kahlen Stellen mit Füllertinte gefärbt. Meine Eltern fanden mich etwas wunderlich.

War das Ihr Protest gegen alles Mädchenhafte?
Jakobs: Es war eher das Resultat dieses dauerhaften Gefühls des Falschfühlens. Zur Taufe meiner Schwester musste ich ein Kleid tragen. Ohne dass ich damals genau verstand, warum, habe ich mich enorm gewehrt. Ich war gern draußen unterwegs und bin Skateboard gefahren.

Reiter: Und ich habe tatsächlich früh mit Puppen gespielt und mich gesträubt, wenn mir Lederhosen angezogen werden sollten. Kein Joke. Obwohl es so platt klingt.

Jakobs: Das klingt nach: Man hätte es immer schon wissen können.

Haben Sie damals überhaupt davon gewusst, dass es Menschen gibt, die nicht ein Leben lang in dem Körper bleiben, in den sie geboren wurden?
Jakobs: Diese Vorstellung existierte selbst im beschaulichen und toleranten München eher in Beschimpfungen.

Reiter: Der "Abschaum der Menschheit". So was sagten sie bei mir damals.

erschienen in stern 51/23