Mitte der Woche war das Video noch online, inzwischen haben es die Verantwortlichen von der Seite geräumt. Der Beitrag hatte auf Facebook für Empörung gesorgt. "Coming Out - die manipulierte Identitätsfindung" gab Schulen und Lehrern die Schuld daran, dass Homosexualität zu einer "Mode" erhoben worden sei. Dass sie Jugendliche mit ihrer homo-freundlichen Auffassung in die selbige drängen würden.
Das Netz ließ nicht lange auf sich warten und bescherte der Seite zumindest einen so gewaltigen Shitstorm, dass das Video aus dem Netz verschwand. Doch Ruhe ist nicht eingekehrt.
Ebola sei wie Grippe
Das Nachrichten-Portal "Jugend-TV.net" sendet nach eigenen Angaben täglich Nachrichten für Kinder und Teenager im Netz. Die Themen sind aktuell, der Tenor der Beiträge allerdings höchst fragwürdig. In der aktuellsten Folge berichtet der 22-jährige Kai-Stephan über die Ebola-Epedemie. Doch statt die Krankheit zu erklären oder Probleme der Behandlung zu beschreiben, spricht er schon zu Beginn von dem "anscheinend so schlimmen Ebola-Virus." Dann zieht er als Vergleich anhand von Todesfällen die Grippe heran - und verweist die jungen Zuschauer darauf, dass "jeder von euch die Grippe hatte." Dass ein Schnupfen und eine handfeste Grippe herzlich wenig gemeinsam haben, wird nicht gesagt. Dafür drischt der holzig sprechende Moderator auf der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herum, die mit anti-demokratischen Mitteln Regierungen beherrschen würde.
So weit, so verschwörungstheoretisch - wären dabei nicht auch Kinder-Moderatoren vor der Kamera und jugendliche Zuschauer an den Monitoren betroffen. Wer lässt Kinder absurde Theorien und Hetze öffentlich am Mikro und vor der Kamera verbreiten?
Wer betreibt die Seite?
Wer sich auf Suche begibt, muss schnell einsehen, dass die Verantwortlichen ihre Spuren gut verwischt haben. Das Impressum der Seite nennt Katharina Wolf als Redaktionsverantwortliche. Eine Telefonnummer gibt es nicht, die Emails werden nicht beantwortet. Sackgasse. Die Domain der Seite ist auf einen Till Bowman eingetragen, der in Niedersachsen leben soll. Doch auch hier versandet die Spur.
Erst wer sich die Mühe macht, den Quelltext der Seite nach handfesteren Angaben zu durchwühlen, hat Erfolg. Dort wird Jeremias Forell genannt, mit einer Adresse in der Schweiz. Doch unter der findet man vor allem eines: das Imperium des Ivo Sasek.
Keimzelle von Gottes Reich
Die Familie Sasek ist ein Phänomen - und längst bekannt in der Schweiz. Die 13-köpfige Familie sendet Web-Videos, veranstaltet Seminare, druckt Bücher. In Walzhausen hat sich Ivo Sasek, ehemals evangelikaler - und vor allem selbsternannter - Prediger, das "Panorama-Zentrum" aufgebaut. Von hier steuert er sämtliche seiner Aktivitäten, bei denen inzwischen auch seine Kinder mitarbeiten. Seine "Organische Christus-Generation", eine Art christliche Sekte, ist betont radikal: Alles, was nicht auf Gott ausgerichtet ist, sei zu unterlassen, beispielweise Hobbys. Ein Leitspruch seiner Lehre: "Familie ohne Sünde als Keimzelle des Reiches Gottes." Immer wieder tauchen Berichte auf, dass die Züchtigung von Kindern mit der Rute Bestandteil seiner Lehre sei - dies weist Sasek allerdings zurück. Die Kinder vor der Kamera bei "Jugend-TV" stammen meist aus gläubigen Anhänger-Familien. Auch sein eigener Nachwuchs moderiert gelegentlich. Die Kritik an Sasek zirkuliert nicht nur über Facebook. Einer seiner Youtube-Kanäle wurde jüngst gesperrt. Ein Bericht über die von Sasek so genannte Impf-Industrie verstoße gegen Richtlinien, so der Online-Gigant.
Georg W., der Prophet
Zuletzt glaubte er fest, dass eine Räumung der Erde durch den Teufel bevorstehe. Seine christlichen Werte vermischen sich bei seinen Nachrichtenformaten mit erzkonservativer, mitunter rechts-lastiger und schwer homophober Meinungsmache und irren Verschwörungslehren.
Optisch und auch durch die Themen erinnert der Web-Video-Kanal "Klagemauer.tv" stark an das Format für die Jugendlichen. Auch die Inhalte scheinen ähnlich. Der aktuelle Beitrag trägt die Überschrift: "Ist Georg W. Bush ein Prophet?" Ansonsten finden sich die üblichen Verdächtigen dieser Tage wieder: Einseitige (und nicht nachweisbare) Meldungen zur Ukraine-Krise, immer mit harscher Kritik der Ukraine. Oder sie berichten über ein Konzert der "Illuminati-Satanistin" - auch als Rihanna bekannt.