Samstagabend, 20 Uhr, ein 35-jähriger Mann durchbricht mit seinem Auto eine Schranke, fährt aufs Rollfeld des Hamburger Flughafens, schießt in die Luft und bleibt unter einer Maschine der Turkish Airways stehen. Vor dem Auto liegt eine vermeintliche Sprengstoffweste. Die Ermittler wissen noch nicht, dass es eine Attrappe ist. Mit im Wagen: die vierjährige Tochter des Täters. Seine Geisel. Die Forderung: Mit ihr in die Türkei ausreisen zu dürfen. Mehr als 18 Stunden lang sprechen Verhandler mit dem Mann, bis er schließlich aufgibt, sich festnehmen lässt und seine Tochter der Polizei übergibt.
Einer, der solche Verhandlungen sehr gut kennt, ist Klaus Kapinos. Er war Kriminalhauptkommissar, zuletzt Leiter der Flughafenpolizei in Hamburg und selbst Verhandler bei Entführungen und Geiselnahmen wie der von Jan Philipp Reemtsma. Heute arbeitet er als Dozent und Personaltrainer in der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland. Im stern-Interview erklärt Kapinos, welche Taktiken die Polizei bei einer Geiselnahme wie der am Hamburger Flughafen anwendet, ob man Täter anlügen darf und ab wann man eine Geisel aufgeben muss.
Herr Kapinos, als Sie von der Geiselnahme gehört haben – was ging Ihnen da durch den Kopf?
Es war Samstagnacht, 22 Uhr, ich habe die Nachrichten geschaut und direkt gedacht: Eine Geiselnahme, mitten auf dem Rollfeld des Flughafens, das ist ein Worst-Case-Fall. Kein alltäglicher Vorgang. Ein Ausnahmefall, der alle Polizisten und das Sicherheitspersonal fordert. In Sekundenschnelle waren mir Erinnerungen an eigene frühere Einsätze präsent.