Tag des privaten Abschieds: Papst Benedikt XVI. hat in Regensburg am Grab seiner Eltern und seiner Schwester still gebetet. Der Besuch auf dem Friedhof mit seinem Bruder Georg (82) gehörte zu den bewegenden Höhepunkten des weitgehend privat gestalteten Tages von Joseph Ratzinger (79). Ein Mittagessen bei seinem Bruder und einer Visite im früheren Wohnhaus standen ebenfalls auf dem Programm. Am Vormittag hatte es mit der Weihe der neuen Benedikt-Orgel in der prächtigen Rokokokirche zur Alten Kapelle noch einen offiziellen Termin im Rahmen der sechstägigen Pastoralreise des katholischen Kirchenoberhauptes gegeben. Am Donnerstag geht die Reise mit einem Besuch in der Domstadt Freising, wo die beiden Brüder 1951 gemeinsam zu Priestern geweiht wurden, zu Ende.
Bei der Orgelweihe verglich der Papst die Stimmigkeit der Orgelpfeifen mit der kirchlichen Gemeinschaft: "Wie in der Orgel eine berufene Hand immer wieder die Disharmonien zum rechten Klang vereinen muss, so müssen wir auch in der Kirche in der Vielfalt der Gaben und der Charismen immer neu durch die Gemeinschaft des Glaubens den Einklang im Lob Gottes und in der geschwisterlichen Liebe finden."
Mittagessen im kleinen Kreis
Zum Mittagessen ging Benedikt dann zu Fuß zum nahe gelegenen Wohnhaus seines Bruders in der Innenstadt. Mit einigen persönlichen Weggefährten speiste der Papst und gönnte sich dann eine kleine Ruhepause. Im Haus seines Bruders machte er bis zu seiner Wahl zum Papst drei Mal im Jahr jeweils einige Tage Urlaub.
Am Nachmittag fuhren die Brüder Ratzinger zum Friedhof im Stadtteil Ziegetsdorf. Dort verharrte der Papst im wohl privatesten und berührendsten Moment seines Heimatbesuches mehrere Minuten betend am Grab der Eltern und der Schwester. Es war mit einem Strauß aus weißen Lilien, der Lieblingsblume von Benedikt XVI., und roten Rosen geschmückt. Die wenigen Begleiter hielten sich dezent im Hintergrund. Nach einem Blick in die dortige Pfarrkirche fuhren die Brüder nach Pentling weiter, wo sie sich in das Wohnhaus von Joseph Ratzinger zurückzogen, das dem Papst noch immer gehört.
Spontane Nachbarschaftsgespräche
Mehrere dutzend Bewohner des Ortes hatten sich in der Nähe versammelt. Benedikt XVI. ging spontan auf seine ehemaligen Nachbarn zu und begrüßte sie. Er nahm sich ausgiebig Zeit für Gespräche. Wieder wurden ihm Kinder in Tracht gereicht, die Blumen überreichten. Im Haus stärkten sich die Brüder mit Kaffee und Kuchen und nahmen nach einem Spaziergang im Garten noch einen kleinen Imbiss ein, ehe sie am Abend wieder ins Priesterseminar zurückfuhren.

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Kritik von Küng und Drewermann
Indessen hat der Tübinger Theologe Hans Küng hat ein kritische Bilanz des Papst-Besuchs in Bayern gezogen. Er habe einen zwiespältigen Eindruck, sagte Küng am Mittwoch in einem dpa-Gespräch. "Benedikt XVI. hat keine der Hoffnungen reformorientierter Katholiken erfüllt." Persönlich habe er sympathisch und den Gläubigen nahe gewirkt - "kein Medienpapst mit Schauspielertalent, der um Beifall heischt". Vielmehr sei Joseph Ratzinger einer, der sich auf die zentrale Wahrheit des Christentums, den Glauben an Gott, konzentriert. Doch habe er jegliche Offenheit für Reformen in der Kirche vermissen lassen.
Zur Diskussion um den Vortrag des Papstes vom Dienstag mit umstrittenen Äußerungen zum Dschihad im Islam meinte Küng: "Diese Äußerungen werden wohl von vielen Muslimen nicht positiv aufgenommen werden und bedürfen dringend der Differenzierung."
Der katholische Theologe und Kirchenkritiker Eugen Drewermann hat dem Papst geistige und geistliche Unbeweglichkeit vorgeworfen. Auch während des Besuchs in Bayern habe sich gezeigt, dass der Pontifex sich in keinem Punkt geändert habe, sagte Drewermann am Mittwoch dem Südwestrundfunk in Baden-Baden.
Unklarheit nach Sicherheitspanne
Nach einer Sicherheitspanne beim großen Gottesdienst am Dienstag in Regensburg hatte die Polizei noch immer keine Spur von dem jungen Mann. Die Ermittlungen ergaben nach Polizeiangaben noch kein Ergebnis. Der Mann war auf den Altarhügel zugestürmt, auf dem der Papst zelebrierte. Die Sicherheitskräfte überwältigten den Mann, ließen ihn aber wieder laufen, ohne seine Identität zu klären. Sie waren offenbar davon ausgegangen, dass es sich lediglich um einen begeisterten Papst-Fan gehandelt hat.