Kaufhaus in Lübeck Karstadt in Lübeck schließt nach 140 Jahren. Was geht da verloren?

Ein Mitarbeiter der Karstadt-Filiale in Lübeck hängt ein Plakat von einer Scheibe ab
Alles muss raus, auch ein Dankeschön: Mitarbeiter der Filiale verabschieden sich von ihrer Kundschaft
© Jana Mai / stern
1884 eröffnete Rudolph Karstadt in Lübeck seine erste Filiale. Jetzt schließt das Kaufhaus. Der stern hat Mitarbeiter und Kunden in den letzten Monaten begleitet. 

Am letzten Tag von Karstadt Lübeck schneit es. Dicke Flocken fallen und dämpfen den Lärm in der Fußgängerzone, als wolle auch der Himmel dafür sorgen, dass das Kaufhaus nicht laut geht, sondern leise, verschluckt von einer dicken Decke aus Weiß und Schweigen.

Auf Tischen im Erdgeschoss liegt durcheinander, was übrig ist: Glückwunschkarten zum Diplom und zur Kommunion, zum 95. und zum 100. Geburtstag, Herrenunterhosen in Größe 5XL. Menschen drängen sich um die letzten Goldkettchen und Ringe in Glasvitrinen. Die Rolltreppen stehen still. 90 Prozent auf alles.

Sie steht zwischen dem, was geblieben ist von 140 Jahren Kaufhaus. Hätte Elke Hein gewusst, dass heute ihr letzter Tag ist, dann hätte sie die schwarzen Sachen angezogen und die schwarze Banderole für den Arm. Liegt alles zu Hause bereit. Aber sie hat es erst in der Besprechung am Morgen erfahren. "Dass sie mir auch das noch nehmen", sagt Elke Hein. Ein Zeichen wollte sie setzen: in Trauer erscheinen. Stattdessen trägt sie Beige an diesem 16. Januar.

Das Warenhaus, einst erste Adresse in der Innenstadt, verschwindet ohne Ansage. Wie ein Gast, der sich von der Party schleicht. Von seiner eigenen Party.

Vor dem Eingang der Karstadt Filliale in Lübeck fliegen zwei Tauben
Der Eingang zu Karstadt Lübeck
© Jana Mai / stern

"Karstadt", sagt Elke Hein, "ist mein zweites Zuhause. Wenn nicht das erste." Eine Familie, auseinandergerissen. 58 Jahre alt ist Elke Hein, 33 Jahre davon für die Firma. Mit 24 flüchtete sie aus der DDR nach Mönchengladbach, fing dort im Karstadt an. Von der Planwirtschaft in den Konsumtempel der BRD. Was man damals auch unter Freiheit verstand: das gute Leben, in Verkaufsregale gefüllt.

Sie wollte am letzten Tag eigentlich ganz in Schwarz kommen: Elke Hein war 33 Jahre lang Mitarbeiterin
Sie wollte am letzten Tag eigentlich ganz in Schwarz kommen: Elke Hein war 33 Jahre lang Mitarbeiterin
© Jana Mai / stern

Vergangenen Montag haben sie das vierte Geschoss abgesperrt. Am Dienstag das dritte. Mittwoch das UG. Sie verdichten die Ware rund um die Rolltreppen, verkaufen auch das Skelett des Kaufhauses: Schaufensterpuppen, Spiegel, Kleiderständer.

Das Ende von Karstadt, es dauert schon mehrere Jahrzehnte an. Zu guten Zeiten hatten sie mal 243 Filialen, dann schloss ein Kaufhaus nach dem anderen. Bis Ende Januar machen weitere 37 Häuser dicht, insgesamt sind dann noch 92 übrig. Ob es die nächstes Jahr noch gibt, ist unklar.

Denn mehrere Gesellschaften der Signa-Gruppe, zu der die Kaufhäuser gehören, haben Insolvenz angemeldet. Für Galeria Karstadt Kaufhof ist es bereits die dritte Insolvenz innerhalb von vier Jahren. Die Warenhäuser sollen verkauft werden. Nicht nur in Lübeck, auch in anderen Städten, in denen man sich bisher seines Kaufhauses sicher war, zittern sie jetzt.

Jeden Tag neue Schlagzeilen. Sie kommen hier in Lübeck kaum noch mit. Was sie alle mitbekommen haben: Die Manager haben sich ihre Millionen-Boni ausgezahlt. Elke Hein und die anderen werden die Abfindung nicht bekommen, die ihnen versprochen wurde. Es wären jeweils ein paar Tausend Euro gewesen. "Und dabei habe ich das Unternehmen geliebt", sagt Hein. "Man hat sich aufgerieben, all die Jahre. Ich hab immer an erster Stelle meine Firma gesehen, dann erst mich selbst. Und jetzt das zum Schluss. Wie ein Arschtritt. Das macht einen ganz kaputt."