Zukunftsstudie Junge Menschen werden pessimistischer – und zweifeln, ob ihre Generation Kinder bekommen sollte

Studie: Ein junger Vater trägt einen Jungen auf den Schultern
Viele junge Erwachsene blicken pessimistisch in die Zukunft, zeigt eine neue Studie. Das wirkt sich auch auf ihren Kinderwunsch aus.
© Westend61 / Imago Images
Junge Menschen in Europa sorgen sich vor der Zukunft, das zeigt eine neue Studie. Viele misstrauen Politik, Wirtschaft und Medien – und fragen sich, ob ihre Generation überhaupt noch Kinder bekommen sollte.

Viele junge Erwachsene wünschen sich, in einer sicheren, gerechten, sozialen und klimafreundlichen Gesellschaft zu leben. Doch die Mehrheit von ihnen bezweifelt, dass das in Zukunft noch möglich sein wird – und geht davon aus, dass die Lebensbedingungen in zehn Jahren schlechter sein werden als jetzt. Dabei sind sie diejenigen, die diese Zukunft gestalten werden. Viele sorgen sich auch um das politische System. "Ich glaube, die Demokratie ist in Gefahr, sagt etwa ein junger Brite.

Er hat sich – wie insgesamt 10.000 Menschen zwischen 18 und 39 Jahren – an der Zukunftsstudie des Sinus-Instituts im Auftrag der Allianz Foundation beteiligt. Sie untersucht unter anderem, wie sich junge Menschen eine zukünftige Gesellschaft vorstellen und was sie selbst dafür tun, um diese Zukunft zu gestalten. Die Forschenden führten die repräsentative Studie in fünf Ländern durch, neben Deutschland auch in Griechenland, Italien, Polen und Großbritannien. So sollten möglichst unterschiedliche Lebensrealitäten abgebildet werden. Im Fokus lagen unter anderem der Klimaschutz, Rechte für Minderheiten und antidemokratische Tendenzen.

Jede zwölfte Person will niemals wählen gehen

Die wichtigsten Themen für junge Erwachsene:

  • Am wichtigsten sind jungen Europäerinnen und Europäern die Themen Sicherheit und bezahlbare Preise (je 71 Prozent).
  • Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit folgen mit durchschnittlich 52 Prozent, danach starke demokratische Institutionen (47 Prozent).
  • Persönlicher Wohlstand, militärische Stärke und traditionelle Werte sind lediglich für ein Drittel der jungen Erwachsenen besonders relevant.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

  • Acht von zehn Personen können nachvollziehen, wenn Menschen in diesen Zeiten zögern, Kinder zu bekommen. Dieser Aussage stimmten die meisten Befragten überhaupt zu.
  • 70 Prozent glauben vollständig oder teilweise, Medien würden in erster Linie eine eigene Agenda verfolgen (59 Prozent in Deutschland), anstatt bloße Fakten zu berichten.
  • Weniger als ein Drittel glaubt, dass in den kommenden Jahren eine zukunftsweisende Politik gemacht wird.
  • Nur acht Prozent denken, dass "wir den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen können" – trotzdem hat mehr als die Hälfte der Befragten noch Hoffnung, dass der Umschwung gelingen kann (58 Prozent).
  • Rund die Hälfte könnte sich vorstellen, sich politisch oder zivilgesellschaftlich zu engagieren; acht Prozent wollen nie wählen gehen.
  • 40 Prozent hoffen, dass sich die Situation von Minderheiten wie Migranten oder der LGBTQ-Community verbessern wird – befürchtet wird dennoch, dass dies zu einer größeren Spaltung führen wird.
  • Es gibt bei den Antworten nur geringe Unterschiede zwischen den Millenials (27 bis 39 Jahre) und der Generation Z (18 bis 26 Jahre).

Von der Regierung im Stich gelassen?

Die Ergebnisse des Sinus-Instituts bestätigen einen Trend, der sich schon länger abzeichnet. Die bis dahin größte Studie zum Thema Klimaangst zeigte 2021 schon auf, dass sechs von zehn jungen Erwachsenen große Angst vor den Auswirkungen der Klimakrise haben. Vier von zehn überlegten deshalb, keine Kinder zu bekommen. Auch eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland zeigte erst im September, dass ein Viertel wegen des Klimawandels auf Kinder verzichten würde.

In diesen Studien ebenfalls Thema: Der Eindruck junger Menschen, von der Regierung im Stich gelassen zu werden. In mehreren Umfragen betonen Kinder und Jugendliche das Gefühl, von Politikerinnen und Politikern nicht ernstgenommen zu werden.

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Mit einem "Bündnis für die junge Generation" versucht Bundesfamilienministerin Lisa Paus, sich dieses Themas anzunehmen. Bisher unterzeichneten Akteure aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft eine gemeinsame Erklärung. Doch es sollen auch Gesprächsrunden mit jungen Menschen stattfinden. Sozialpädagoge Fiete Aleksander ist Teil des Bündnisses und findet: "Es ist wichtig, Lebensrealitäten junger Menschen sichtbar zu machen. Ihre Perspektiven sind es, die unsere Gesellschaft für die Lösung aktueller Krisen zwingend braucht."

Kinder-Frage nicht neu

Auch in vorherigen Jahrzehnten waren junge Menschen unsicher ob der Kinderfrage, insbesondere in den 1980ern aufgrund der Angst vor einem Atomkrieg. Nun zeigt sich dieser Trend erneut, wegen der Klimakrise, aber auch aus Angst vor wachsenden gesellschaftlichen Spannungen. "Ich frage mich, ob ich in einer Zeit wie dieser Kinder haben sollte", sagt eine in der Zukunftsstudie befragte Person aus Italien. "Die Welt scheint sich in eine ganz bestimmte Richtung zu entwickeln, und wir tun sehr wenig, um sie aufzuhalten."

Die vorliegende Studie der Allianz-Stiftung wurde in zwei Phasen unterteilt. Zuerst wurden in Gruppendiskussionen die wichtigsten Themen der jungen Generation herausgefiltert. Im Anschluss folgte die repräsentative Umfrage, erhoben von September bis November 2022.