Papst-Kontroverse Wirbel um Papst-Rede

Vielfach fordert die islamische Welt Papst Benedikt auf, sich für seine umstrittenen Äußerungen zu entschuldigen. In der Türkei gab es nun Selbstkritik: Der Chef der türkischen Religionsbehörde hatte die Rede gar nicht gekannt, als er die Entschuldigung gefordert hatte.

Die Islamische Konferenzorganisation OIC, der 57 Staaten angehören, warf dem Oberhaupt der katholischen Kirche am Freitag eine "Verleumdungskampagne" gegen den Islam vor. Der Vatikan versuchte unterdessen, die Lage zu beruhigen. Der Papst habe niemals die "Werte des Islam" in Frage stellen wollen, sagte der neue "Außenminister" des Heiligen Stuhls, Monsignore Dominique Mamberti. Vielmehr sei der "Dialog mit den großen Kulturen" ein Hauptanliegen Benedikts XVI.

Türkei: Aufruf zur Mäßigung

Nach ersten massiven Protesten in der muslimischen Welt gegen die Papst-Worte zum Thema Islam und Gewalt folgten am Samstag auch Aufrufe zur Mäßigung. In der Türkei wurde Kritik an voreiligen Reaktionen laut. Der oberste Chef der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, habe den Wortlaut des Vortrags in Regensburg nicht gekannt, als er den Papst aufgefordert hatte, sich zu entschuldigen, berichtete die türkische Zeitung "Hürriyet" am Samstag. Er habe allein auf Presseberichte reagiert, nach denen der Papst den Islam als eine Religion der Gewalt dargestellt habe. Einen Einfluss auf den für Ende November geplanten offiziellen Papst-Besuch in der Türkei werde die Empörung über die Worte Benedikts in der islamischen Welt nicht haben, zitierte die Zeitung Kreise des türkischen Außenministeriums in Ankara. Die radikale Moro Islamische Befreiungsfront auf den Philippinen rief dazu auf, nicht noch weiter Öl aufs Feuer zu gießen. Davon könne nichts gewonnen werden, erklärte ein Sprecher der Organisation.

Angela Merkel verteidigt Benedikt

In verschiedenen islamischen Ländern sprachen Religionsvertreter von Beleidigung und Gotteslästerung und forderten eine Entschuldigung des Vatikans. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel Benedikt gegen die Kritik verteidigte, äußerte der Grünenpolitiker Volker Beck Verständnis für die muslimischen Reaktionen.

Die Welle der muslimischen Empörung folgt neun Monate nach dem Beginn gewaltsamer Proteste wegen der Veröffentlichung von Mohammed- Karikaturen in einer dänischen Tageszeitung. Die OIC kritisierte auf einer Tagung im saudi-arabischen Dschidda, der Papst habe Mohammed als "böse und unmenschlich" dargestellt. In einer Erklärung heißt es: "Die OIC hofft, dass diese Kampagne nicht der Prolog für eine neue Politik des Vatikans gegenüber dem Islam ist, besonders nach den vielen Jahrzehnten des Dialoges, der die Kleriker des Vatikans und die führenden Denker und Religionsgelehrten der Muslime einander näher gebracht hat."

Anschlag auf Kirche in Gaza

In der Palästinenserstadt Gaza wurde ein Sprengstoffanschlag auf eine Kirche verübt. Die ägyptische islamische Arbeitspartei attackierte den Papst und rief zu Protesten auf. Die Partei erklärte: "Wacht auf, Muslime, der Papst beleidigt den Propheten und bezeichnet den Islam in seiner Ahnungslosigkeit als möglichen Feind." Die radikale ägyptische Moslembruderschaft verlangte eine Entschuldigung. Benedikt XVI. gieße "Öl aufs Feuer". Ein iranischer Kleriker und Mitglied des höchsten islamischen Gremiums des Landes bezeichnete die Papst-Äußerungen als "unerhört".

Das pakistanische Parlament verabschiedete einstimmig eine Resolution, in der es heißt, die Äußerungen Benedikts verletzten die Gefühle der Muslime, erzeugten eine Kluft zwischen den Religionen und stellten einen Verstoß gegen die UN-Menschenrechtskonvention dar. Die Parlamentarier forderten eine Zurücknahme der Worte. Muslimische Gelehrte in Indien kritisierten die Äußerungen des Papstes als "unverantwortlich" und "blasphemisch". Im mehrheitlich muslimischen indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir beschlagnahmten Polizisten vorsorglich Tageszeitungen, in denen über die Äußerungen berichtet wurde, um Unruhen zu verhindern. Dennoch kam es zu Protestdemonstrationen.

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Papst soll Äußerungen erklären

Der Großmufti in Syrien forderte Benedikt auf, seine kritischen Äußerungen zum Islam zu klären. Auch die britischen Muslime drangen auf eine Klarstellung. Der Muslim Council of Britain (MCB) - die Dachorganisation der rund 250 muslimischen Gruppen in Großbritannien - erklärte: "Von einem religiösen Führer wie dem Papst hätte man erwarten können, dass er mit Verantwortungsbewusstsein handelt und spricht und im Interesse von Wahrheit und Harmonie zwischen den Anhängern des Islams und des Katholizismus die Ansichten des byzantinischen Kaisers zurückweist."

Der Papst hatte sich in Regensburg gegen den Heiligen Krieg ausgesprochen und dabei auch indirekt Mohammed kritisiert. Er berief sich auf ein über 600 Jahre altes Zitat eines byzantinischen Kaisers, das er selbst als schroff bezeichnete, in dem es heißt, Mohammed habe nur Schlechtes und Inhumanes gebracht, weil er den Glauben mit dem Schwert verbreiten lassen wollte.

Papst weist religiöse Motivation von Gewalt zurück

Mamberti, der am Freitag zum neuen Sekretär des Vatikan für die Beziehungen zu den Staaten ernannt worden war, sagte dem italienischen Fernsehen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum, "der Papst hat ganz klar gesagt, dass er einen Dialog zwischen den Kulturen und Religionen will". Die Werte des Islam habe er nicht in Frage stellen wollen. Dem Papst sei es um eine "klare und radikale Zurückweisung einer religiösen Motivation von Gewalt" gegangen, hatte zuvor bereits Vatikansprecher Federico Lombardi erklärt.

DPA
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