Papst-Besuch Muslime verärgert über Papstäußerungen

Begeisterung auf den Straßen und Plätzen: Der Papst hat die Herzen der Deutschen gerührt. Er beeindruckte mit sprachlicher und gedanklicher Schärfe. Doch muslimische Verbände sehen das anders. Sie empfinden Benedikts Aussagen als "höchst bedauerlich".

Die muslimischen Verbände in Deutschland haben sich verwundert über die Islamsicht von Papst Benedikt XVI. gezeigt. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel", es falle ihm schwer zu glauben, "dass der Papst gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Islam und Christentum sieht". Schließlich sei auch die Geschichte des Christentums blutig gewesen - "man denke nur an die Kreuzzüge oder die Zwangsbekehrungen von Juden und Muslimen in Spanien". Auch Benedikts Einschätzung des Islams als einer Religion, die nicht auf Vernunft baue, verstehe er nicht, sagte Mazyek: "Gerade im Islam ist der Vernunftgedanke besonders präsent. Für die islamische Rechtsprechung ist der Gebrauch des eigenen Kopfes sogar eine der Säulen." Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, nannte die Aussagen des Papstes "irritierend und höchst bedauerlich". Benedikt habe zu Beginn des Besuchs an die Politik appelliert, den Dialog der Kulturen und Religionen zu verstärken. Dies sei allerdings "kein positiver Beitrag dazu", sagte Kizilkaya dem Blatt. "Wenn wir alle in die historische Kiste greifen wollten, dann wäre der Dialog kaum möglich." Papst Benedikt XVI. hatte in Regensburg erklärt, Religion dürfe niemals zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht werden oder gar selbst zur Gewalt aufrufen.

Der Papst begeistert Deutschland

Hunderttausende haben ihm während der sechs Tage in Kirchen, auf Straßen, Plätzen und Feldern zugejubelt, Millionen hat er an den Bildschirmen gerührt. Ein alter Mann besucht noch einmal die wichtigsten Stationen seines Lebens, der vermeintlich kühle Kopfmensch zeigt Gefühle, geht auf die Menschen zu, genießt das Bad in der Menge. Joseph Ratzinger hat es in Deutschland nicht immer leicht gehabt. Als Papst Benedikt XVI. hat er die Herzen der Menschen nicht nur bewegt, sondern oft auch gewonnen.

Als Papst ist er aber auch wichtige Antworten schuldig geblieben. Er werde wohl nicht mehr viele Reisen anzetteln können, wolle deswegen noch einmal Orte und Menschen sehen, die ihn geprägt hätten, hatte der 79-jährige Papst vor seiner Reise nach Bayern gesagt. Damit gab er selbst den emotionalen Grundton vor, der dem ganzen Besuch etwas von Abschied und damit auch etwas Anrührend-Persönliches gab. "Ich denke, es ist für die Menschen gut, wenn sie mal einen ganz menschlichen Papst erleben", erklärte denn auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann.

Menschenmengen lauschten seinen Worten

Aber selbstverständlich war die Reise unter dem Motto "Wer glaubt, ist nicht allein" in erster Linie kein Privatbesuch in der Heimat. Drei große Messen unter freiem Himmel vor insgesamt fast 600.000 Menschen feierte das Kirchenoberhaupt, dazu zahlreiche Vesper-Gottesdienste und Andachten, er hielt mehrere Ansprachen, darunter die viel beachtete Rede an der Universität Regensburg. "Ich bin nach Deutschland und nach Bayern gekommen, um meinen Landsleuten die ewigen Wahrheiten des Evangeliums als gegenwärtige Kraft nahe zu bringen", sagte er selbst zum Abschied. Mit beeindruckender sprachlicher und gedanklicher Schärfe prangerte er immer wieder die schwindende Gottesnähe der Christen an und warnte vor wissenschaftlichen Widerlegungsversuchen der göttlichen Schöpfung: Ohne Gott geht es nicht - nicht beim sozialen Engagement und auch nicht beim Dialog der Christen mit anderen Kulturen oder Religionen, erklärte das Kirchenoberhaupt.

Einheit der Kirche, Priestermangel - lauter offene Fragen

Und doch ließ der Papst viele Fragen offen - insbesondere beim Thema Ökumene. Bundespräsident Horst Köhler, selbst evangelisch, hatte bei der Ankunft Benedikts die Hoffnung auf weitere Fortschritte bei den Bemühungen um eine Einheit der Kirche geäußert. Benedikt XVI. antwortete, der Bundespräsident habe ihm damit aus der Seele gesprochen. "Wir werden uns mit Herz und Verstand bemühen, dass wir zueinander kommen."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Realität des Besuchs sah jedoch anders aus. Bei der einzigen ökumenischen Veranstaltung, einem Vespergottesdienst in Regensburg, betonte das katholische Kirchenoberhaupt zwar die Gemeinsamkeiten der christlichen Kirchen, die Hoffnung vieler Menschen, dass der Papst im Land der Reformation etwas zum bislang aus katholischer Sicht nicht möglichen gemeinsamen Abendmahl mit den Protestanten sagen würde, blieben aber unerfüllt. Der Tübinger Theologe Hans Küng sah gar "kein einziges Zeichen für mehr ökumenische Zusammenarbeit" während des Besuchs. Der Papst habe sicher an Sympathien gewonnen. "Aber er hat auch deutlicher seine Grenzen gezeigt, und zwar nicht zuletzt durch das, was er bewusst verschwiegen hat", erklärte Küng.

Beim Thema Priestermangel habe sich der Papst auf Appelle beschränkt, die schon bei seinem Vorgänger 27 Jahre ohne Erfolg gewesen seien, sagte Küng weiter. Nur wenn das Zölibat aufgehoben werde und Frauen zum Priesteramt zugelassen würden, könne sich daran etwas ändern - Themen, die der Papst überhaupt nicht ansprach und es womöglich auch nie tun wird. Auch die Reformbewegung 'Wir sind Kirche' bedauerte, dass der Papst "keinerlei Hoffnungszeichen auf absehbare Reformen" gesetzt, jede Konkretisierung vermieden und eine echte Dialogbereitschaft vor allem mit den Laien habe vermissen lassen. Dass sich der Kardinal Joseph Ratzinger mit seiner Wahl zum Papst wirklich geändert hat, bezweifelt der katholische Theologe und Kirchenkritiker Eugen Drewermann.

"In allen wesentlichen Dingen identisch geblieben"

Aber es wäre ohnehin ein Irrtum, wenn man aus dem entspannt freundlich-freudigen Auftreten des Papstes eine Lockerung seiner strikten Glaubenspositionen ableiten wollte. "Mein Grundnaturell und auch meine Grundvision ist gewachsen, aber in allen wesentlichen Dingen doch identisch geblieben", stellte er schon vor seiner Reise klar. Diese Aussage und auch der Besuch selbst belegen, dass tief greifende Reformen in der römisch-katholischen Kirche in der Amtszeit von Benedikt XVI. eher unwahrscheinlich sind.

Größer ist dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass Benedikt doch noch einmal nach Deutschland kommt - denn dies bleibt, wie er selbst sagt, der Vorsehung Gottes überlassen. Und so verabschiedete er sich denn auch mit den Worten: "Allen ein herzliches Vergelt's Gott und Auf Wiedersehen - so Gott will."

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