Streit, Parteiaustritte und eine zweistündige Sondersitzung - die Krise in der SPD/BSW-Koalition in Brandenburg ist noch nicht beendet. Im Gegenteil: Politikforscher Jan Philipp Thomeczek hält die Koalition für nicht sicher stabil. Der Wissenschaftler verwies auf die knappe Mehrheit für Fraktionschef Niels-Olaf Lüders und Vize Christian Dorst bei der Abstimmung über zwei Misstrauensanträge von vier Abgeordneten, die aus der Partei ausgetreten waren.
"8 zu 6 ist ja die knappst mögliche Entscheidung bei 14 Leuten, insofern ist das garantiert nicht ausgeräumt", sagte Thomeczek. "Die Frage wäre vielmehr, was dort überhaupt noch zu retten ist. 8 zu 6 bei einem Gesetz würde auf jeden Fall heißen, dass man es mit der SPD nicht beschließen kann." SPD und BSW haben im Landtag nur eine knappe Mehrheit von zwei Stimmen.
Zwei Misstrauensanträge gegen Fraktionschef Niels-Olaf Lüders und seinen Vize Christian Dorst wurden bei der Sondersitzung mit knapper Mehrheit abgelehnt - damit bleiben sie im Amt. Der Fraktionschef zeigte sich zufrieden, aber noch nicht am Ziel. Die SPD wertete das Ergebnis des Krisengesprächs nur als ersten Schritt. Der Streit bringt das bundesweit einmalige Regierungsbündnis von SPD und BSW ins Wanken. Die BSW-Spitze kam am Freitag noch zu einer Sitzung zusammen - dort fielen nach dpa-Informationen keine formellen Beschlüsse.
Forscher sieht großen Einfluss der BSW-Bundespartei
Der Wissenschaftler hält den Einfluss der Bundesebene beim BSW "in jedem Fall" für groß. "Bei anderen Parteien erlebt man das nicht so", sagte er. "In der CDU betont man beispielsweise nur den Unvereinbarkeitsentschluss mit Linke und AfD, ansonsten lässt man den Landesverbänden freie Hand." Das BSW regiert seit Dezember 2024 gemeinsam mit der SPD in Brandenburg.
Vier Parteiaustritte und Vorwürfe
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Die BSW-Fraktion geriet in die Krise, weil vier Abgeordnete am Dienstag ihren Parteiaustritt erklärt hatten. Als Grund gaben sie unter anderem an, "autoritäre Tendenzen" im BSW prägten zunehmend das innerparteiliche Klima, und es dominierten radikalisierte Positionen.
In einer Krisensitzung erhielt die Fraktionsspitze das Vertrauen, doch die Fraktion zeigt sich zerrissen. Die bestehenden unterschiedlichen Positionen ließen sich allerdings nicht auflösen, erklärten die vier Abgeordneten. Sie wollen aber Teil der Fraktion bleiben und die Koalition unterstützen.
SPD fordert Stabilität ein
Der Streit bringt das Regierungsbündnis in Schräglage. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte seinen Koalitionspartner aufgerufen, die Situation intern zu klären. Nach der Krisensitzung wertete die SPD das Ergebnis nur als ersten Schritt und forderte Klarheit über Stabilität ein. Die Krise im BSW hatte sich am Koalitionsstreit über zwei Medienstaatsverträge entzündet.
Offen ist die Rolle von BSW-Finanzminister und Ex-Landeschef Robert Crumbach. Er hatte die Sitzung vorzeitig verlassen. Sein Antrag auf Aussprache über die Misstrauensanträge wurde abgelehnt. Crumbach ist anders als die Mehrheit der Fraktion für die Staatsverträge, über die der Landtag am kommenden Dienstag abstimmt.
Seine Position verteidigte Crumbach auch am Freitag bei Facebook. Er schrieb auf einen Kommentar hin, bitte dem Medienstaatsvertrag im Landtag nicht zuzustimmen: "Doch, das werde ich. Das hat die Parteivorsitzende und der Fraktionsvorsitzende im April so verabredet und dem Koalitionspartner mitgeteilt. Ich breche mein Wort nicht. Und inhaltlich ist es auch richtig." Danach postete er ein Schild mit der Aufschrift: Unbefugte sind nicht befugt, Unfug zu treiben. Der Befugte. Und schrieb dazu: Ohne Worte. Darüber schrieb zuvor der "Tagesspiegel".