Die Polizei stellt sich anlässlich des Gründungstreffens der neuen AfD-Jugendorganisation auf Proteste mit rund 50.000 Teilnehmern ein. Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sprach in Gießen von einer "herausfordernden Großlage", auf die sich die Polizei seit Monaten "mit Hochdruck" vorbereite. An der Einsatzlage seien auch das Hessische Landeskriminalamt und das Bundeskriminalamt sowie die Verfassungsschutzbehörden beteiligt. Auch der Katastrophenschutz habe sich auf die Großlage vorbereitet und werde im Einsatz sein.
Poseck erwartet überwiegend friedlichen Protest
Die Polizei werde alles dafür tun, dass die Versammlungen sicher und friedlich verlaufen und dass der Rechtsstaat an diesem Wochenende zur Geltung komme, sagte Poseck und dankte allen Beteiligten vorab für ihren Einsatz. Der ganz überwiegende Teil der Protestierenden werde voraussichtlich friedlich demonstrieren, man müsse aber auch damit rechnen, dass wenige gewaltbereite und auch gewalttätige Teilnehmer dabei sein werden. "Wie sich das dann entlädt, ist im Moment nicht abzusehen. Wir hoffen, dass wir negative Eskalationsszenarien nicht erleben werden."
Die AfD will am 29. November in Gießen eine neue Jugendorganisation gründen. Die alte Organisation "Junge Alternative" war im Frühjahr aufgelöst worden, nachdem sich die AfD von ihr per Parteitagsbeschluss gelöst hatte. Der Verfassungsschutz hatte sie als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.
Polizei rechnet auch mit gewaltbereiten Demo-Teilnehmern
Poseck sprach von einer voraussichtlich dreistelligen Zahl gewaltbereiter Teilnehmer an den Gegendemonstrationen, auch eine vierstellige Zahl sei aber nicht ausgeschlossen. Mit Sorge blicke er auf Mobilisierungen in der linken Szene und entsprechende Gewaltaufrufe, sagte der Minister und betonte: "Gewalt ist in einem Rechtsstaat niemals ein legitimes Mittel." Es sei legitim, die AfD zu kritisieren, doch dürfe dies unter keinen Umständen mit gewalttätigen Mitteln ausgedrückt werden. "Jeder Gewalttäter ist ein Feind unserer Demokratie, egal, ob er links oder rechts steht."
Polizisten aus Hessen und 14 weiteren Ländern im Einsatz
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Im Einsatz werden am Wochenende unter anderem Polizeihubschrauber, Drohnen, Wasserwerfer und die Pferdestaffel der Polizei sein, insgesamt sei eine mittlere vierstellige Zahl an Polizeikräften aus Hessen und weiteren 14 Bundesländern sowie der Bundespolizei im Einsatz, hieß es. Dies alles bedeute auch einen enormen logistischen Aufwand.
"Es wird hier an diesem Tag der größte Polizeieinsatz in Deutschland stattfinden", sagte Poseck. Der Minister appellierte an die Teilnehmenden, friedlich zu protestieren, dies sei "ein Grundpfeiler der Demokratie". Bei Gewaltanwendung sei immer eine Grenze überschritten. Die Gegendemonstrationen dürften auch nicht darauf ausgerichtet sein, eine andere Versammlung zu verhindern, sagte Poseck mit Blick auf die angekündigten Blockaden. Das Recht, seine Meinung kundzutun dürfe nicht dazu führen, anderen dieses Recht zu entziehen. Das Bündnis "widersetzen" hatte angekündigt, die Zufahrtswege zum Veranstaltungsgelände des Gründungstreffens zu blockieren mit dem Ziel, dieses zu verhindern.
Bürger zur Duldung von Polizeimaßnahmen aufgerufen
Bei dem Einsatz sei es Anspruch der Polizei, die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger in Gießen zu gewährleisten, erklärte Polizeipräsident Torsten Krückemeier. Man rufe alle dazu auf, die polizeilichen Maßnahmen wie etwa Absperrungen zumindest zu dulden. "Das Überrennen von Absperrungen kann nur gewaltsam erfolgen, und ich verurteile Gewalt bei Versammlungen auf das Entschiedenste", so Krückemeier.
Angesichts der polizeilichen Gefährdungseinschätzung hatte die Stadt Gießen räumliche Beschränkungen für die geplanten Demonstrationen verfügt, dagegen gab es Eilanträge mehrerer Veranstalter. Einsatzleiter Jürgen Fehler erklärte, angesichts der seit Wochen stetig steigenden Zahl erwarteter Teilnehmer an den Gegenprotesten müsse die Polizei dafür Sorge tragen, dass diese nicht in eine Art Sackgasse vor den Gießener Messehallen als Veranstaltungsort des Gründungstreffens laufen, und es möglicherweise zu einer Panik mit vielen Verletzten komme. Man schließe auch nicht aus, dass es zu Autobahn-Blockaden anlässlich der Proteste kommen könnte - wo nötig, werde man "intervenieren" und habe entsprechende Vorbereitungen getroffen, sagte Fehler.
Der Großeinsatz gilt auch deshalb als besonders herausfordernd, weil die Universitätsstadt mit ihren rund 92.000 Einwohnerinnen und Einwohnern vergleichsweise klein ist und damit als schwerer zu "entfluchten" eingestuft wird, als eine Großstadt.