Gesundheit Brustkrebs-Früherkennung: Screening bleibt oft ungenutzt

Insgesamt 914.050 Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren hatten im vergangenen Jahr einen Anspruch auf Früherkennungsuntersuchunge
Insgesamt 914.050 Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren hatten im vergangenen Jahr einen Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen im Rahmen des Mammografie-Screenings. Foto
© Hannibal Hanschke/dpa
Obwohl das Mammografie-Screening nachweislich Leben retten kann, nutzt nur gut die Hälfte der eingeladenen Frauen in Hessen das Angebot. Woran liegt das?

Mediziner sind sich längst einig: Je früher Brustkrebs erkannt wird, desto besser stehen die Heilungschancen. Das vor gut 20 Jahren eingeführte Mammografie-Screening soll der besseren Früherkennung bösartiger Tumore dienen und so auch helfen, die Sterblichkeit der Patientinnen zu senken. Doch auch in Hessen nutzen weit weniger Frauen, als dazu eingeladen werden, diese für eine bestimmte Altersgruppe alle zwei Jahre angebotene und von den Krankenkassen finanzierte Vorsorgeuntersuchung. Warum ist das so und wie könnte sich die Akzeptanz erhöhen lassen?

Wer wird zu dem Screening eingeladen?

Bis Ende Juni vergangenen Jahres waren die Früherkennungsuntersuchungen über das Screening für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren vorgesehen. Seit Juli 2024 sind auch Frauen zwischen 70 und 75 Jahren einbezogen – zunächst eigeninitiativ als "Selbsteinladerinnen", und seit Anfang dieses Jahres wird auch diese ältere Gruppe von Frauen regelhaft per Anschreiben zum Screening eingeladen.

Die Briefe enthalten einen persönlichen Code und Terminvorschlag, der über eine spezielle Website oder auch telefonisch bestätigt oder verschoben werden kann. Reagieren die Eingeladenen nicht, erhalten sie eine weitere Einladung nach sechs Wochen – insgesamt 680.000 solcher Schreiben wurden nach Angaben von Christoph Wiemers, Abteilungsleiter Patientenservice der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, im vergangenen Jahr verschickt.

Wie viele Frauen nehmen die Untersuchungen wahr?

Gut die Hälfte der Frauen, die einen Anspruch auf die Untersuchungen im Rahmen des Mammografie-Screenings in Hessen haben, nehmen die Termine tatsächlich wahr, sagt Karin Bock, Programmverantwortliche Ärztinund Leiterin des Referenzzentrums Mammographie SüdWest. Als zentrale Einrichtung betreut das Zentrum das Programm in Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Hinzu kommen Frauen, die auf eigene Initiative zu Untersuchungen niedergelassener Radiologen gehen – etwa, weil sie durch die Einladungsschreiben oder durch Gespräche bei ihren Frauenärzten auf das Thema aufmerksam wurden.

Bock empfiehlt Frauen, den Untersuchungen in den zertifizierten Screening-Zentren auf jeden Fall den Vorzug zu geben. Es handele sich um ein qualitätsgesichertes, organisiertes und bundeseinheitliches System. Bei jeder Untersuchung schauten zwei besonders geschulte und qualifizierte Ärztinnen oder Ärzte auf die Bilder. Diese müssten als Vorgabe pro Jahr jeweils mindestens 5.000 solcher Bilder sichten und beurteilen, sagt Bock. "Die Anforderungen sind so hoch, weil wir Frauen untersuchen, die zu diesem Zeitpunkt keine Krankheitssymptome haben."

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Warum verzichten viele Frauen auf das Screening?

Bock spricht von vielfältigen Gründen, die je nach Altersgruppe, Bildungsstand oder Versicherungsstatus der Frauen unterschiedlich ausfallen. Nicht nur eine Vielzahl von Ängsten – etwa vor der eigentlichen Untersuchung oder möglichen beunruhigenden Befunden – spielten eine Rolle, sagt die Medizinerin. Manche Frauen verträten auch die Auffassung, sie könnten "selbst auf ihren Körper achten".

Auch mangelndes Wissen über medizinische Sachverhalte spiele eine Rolle, das sich selbst während der Screening-Untersuchungen noch zeigen könne. So weiß Bock von Frauen, die trotz eines auffälligen Mammografie-Befunds weitergehende Untersuchungen ablehnen. Die Ärztin spricht von einem vermutlich hohen Beratungsbedarf bei den Frauen. Dennoch nehme nur ein ganz geringer Anteil der Frauen tatsächlich Informations- und Beratungsangebote der hessenweit sechs Screening-Einheiten tatsächlich wahr.

Was sagen die Behandler?

Für Uwe Wagner, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, steht der Nutzen des Screenings außer Frage. Das zeige sich schon darin, dass Brustkrebs-Neuerkrankungen bei den in das Programm einbezogenen Frauen von 50 bis 69 Jahren statistisch dank der Röntgenuntersuchungen in früheren, besser zu behandelnden Stadien erkannt werden, sagt Wagner.

"Das Überleben ist und bleibt stadienabhängig" – je größer Tumore nämlich sind, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass Lymphknoten befallen seien. Und desto größer und für die Patientinnen belastender sei der therapeutische Aufwand, der bei der Behandlung betrieben werden muss, ob durch Operationen, Chemo- oder Strahlentherapien.

Rund 12.000 Frauen hat Wagner in seiner beruflichen Laufbahn direkt oder indirekt während Diagnostik und Behandlung begleitet. Dabei seien auch viele gewesen, die nicht an regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben, sagt der Mediziner. Bei der Behandlung spielt das für ihn keine Rolle. "Das Leid ist immer gleich groß, und die Zuwendung ist immer die gleiche", sagt Wagner. "Es gibt nie einen Vorwurf."

Wie können Frauen selbst zur Früherkennung beitragen?

Mediziner empfehlen regelmäßige Tastuntersuchungen der Brust, um möglichst frühzeitig Veränderungen des eigenen Körpers wahrzunehmen. Die Teilnahme am Mammografie-Screening ersetzt das Abtasten allerdings nicht, wie Wagner deutlich macht. Knoten in der Brust seien häufig erst ab einem Tumorstadium 2, also ab einer Größe von zwei Zentimetern und mehr ertastbar – die weitaus besten Heilungsaussichten gibt es aber für die kleinsten Tumore im Stadium 1. Auch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen beim Gynäkologen gäben keine Sicherheit, sondern sollten als ergänzende Möglichkeit gesehen werden. Hier komme es sehr darauf an, wie gut der Untersucher oder die Untersucherin sei. Außerdem seien viele der Tumor-Vorstufen im Ultraschall nicht sichtbar, sagt Wagner.

Kann das Screening Leben retten?

Ja, sagt Bock. Die bundesweite "Mortalitätsevaluation" habe eine 20- bis 30-prozentige Verringerung der Brustkrebs-Sterbefälle nachweisen können. "Das heißt: Jede vierte Frau kann dank regelmäßiger Mammografien vor dem Tod bewahrt werden", sagt Bock.

dpa

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