Meinung Warum sich Frauen für die Wehrpflicht einsetzen sollten

Junge Bundeswehrsoldatin bei einem Empfang in Berlin im September 2025
Kein ungewöhnliches Bild mehr: eine junge Frau, die als Soldatin in der Bundeswehr dient
© Juliane Sonntag / Imago Images
Der neue Wehrdienst soll junge Männer zur Musterung verpflichten. Frauen sind weiter ausgenommen. Dabei wäre eine Wehrpflicht für sie ein Akt der Emanzipation.

Noch sind nicht alle Details über den neuen Wehrdienst bekannt. Sicher ist aber schon jetzt: Es wird eine Pflicht für junge Männer (ab Jahrgang 2008) geben, einen Musterungsbogen auszufüllen und sich bei Bedarf ab 2027 mustern zu lassen. Und: Frauen sind davon nicht betroffen. 

Das hat mit dem Grundgesetz zu tun. Dort steht in Artikel 12a, Absatz 4: "Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden."

Dieser Passus, der genau genommen eine Form der Diskriminierung von Männern darstellt, ist im 21. Jahrhundert überholt und ungerecht. Sicher, eine Änderung des Grundgesetzes ist nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich. Die ist nicht so leicht zu bekommen, selbst wenn SPD und Union das wollten.

Eine Frau sorgte bei der Bundeswehr für eine Zäsur

Tatsächlich sollte es aber auch Frauen – sofern sie nicht die Wehrpflicht generell ablehnen – ein Anliegen sein, dass diese auch für sie gelten sollte. Denn Geschlechtergerechtigkeit bei der Landesverteidigung wäre ein großer Schritt auf dem Weg zu vollständiger Gleichberechtigung.

Als 1975 erstmals Frauen Soldatinnen werden durften – freilich nur im Sanitätsdienst und als Mitglieder des Musikkorps –, war dies bereits eine Zäsur für die Männerdomäne Bundeswehr. Der Durchbruch aber kam, als die Anlagentechnikerin Tanja Kreil im Jahr 2000 mit ihrer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof durchsetzte, dass Frauen auch in den aktiven Militärdienst durften.

Auch wenn es immer noch (zu) viele Fälle von Diskriminierung von Soldatinnen in der Bundeswehr gibt, so sind die Stimmen, dass Frauen "von Natur aus" nicht kämpfen könnten, inzwischen weitgehend verstummt. Im Gegenteil: Wer einmal gemeinsam durch den Schlamm gerobbt ist oder schießen geübt hat, wer bei einem Nato-Manöver in Norwegen bei Minusgraden im Gemeinschaftszelt übernachtet hat oder zusammen in Afghanistan im Einsatz war, wird nicht mehr auf die Idee kommen, dass eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern aus militärischer Perspektive sinnvoll ist.

Andere Länder machen es längst vor: Israel etwa oder Schweden, wo die Wehrpflicht sowohl für Männer als auch Frauen gilt. Das tut nicht nur der Armee gut, sondern hat auch Rückwirkungen auf die Rollenbilder im Rest der Gesellschaft.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Selbst das noch lange auch von Frauen vorgebrachte Argument, das eigene Geschlecht leiste ja schon genügend "Dienst an der Gesellschaft", weil der Großteil der Kindererziehung und Heimarbeit Frauensache ist, verliert an Legitimität – in einer Zeit, in der immer mehr junge Männer bereit sind, mehr Verantwortung bei der Betreuung des Nachwuchses und im Haushalt zu übernehmen.

Die Wehrpflicht für Frauen – ein Akt der Emanzipation

Nicht zuletzt hilft ein Blick in die Geschichte. Jeanne d'Arc führte während des Hundertjährigen Krieges französische Truppen gegen die Engländer an. Die Keltenkriegerin Boudicca (30 n. Chr. bis 61 n. Chr.) forderte die römischen Besatzer heraus. Artemisia I. von Karien befehligte im 5. Jahrhundert vor Christus Flotten in der Schlacht von Salamis.

Eine Wehrpflicht auch für Frauen wäre ein emanzipatorisches Zeichen, dass die Gesellschaft veraltete Rollenbilder endgültig überwunden hat. Und würde auch in anderen Bereichen zu einer Stärkung der Gleichberechtigung führen. Wer für sein Land kämpfen kann, kann auch alles andere.

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