Das Dokumentationszentrum Prora ist nach Aussage seiner Leiterin eine Erfolgsgeschichte. "Dass es heute noch da ist, damit hätte damals wahrscheinlich nicht jeder gerechnet", sagte Katja Lucke mit Blick auf die Gründung vor 25 Jahren. Zwischen 80.000 und 85.000 Menschen kämen jährlich in die Ausstellungen, die sich vor allem der NS-Geschichte des Baus an Rügens Küste widmen, eines der größten NS-Bauwerke.
Die wirtschaftliche Lage sei stabil, sagte Lucke. Etwas über die Hälfte des für den Betrieb benötigten Geldes beziehe das Zentrum aus Eintrittsgeldern. Hinzu komme eine Förderung durch die Landeszentrale für politische Bildung. Angesichts der öffentlichen Haushaltslage rechnet Lucke allerdings zumindest nicht mit wachsender Unterstützung.
Sorgen angesichts bevorstehender Wahl
Nach der anstehenden Landtagswahl im kommenden Jahr befürchtet Lucke zudem je nach Ausgang, dass "die Erinnerungskultur einen sinkenden Stellenwert haben wird". Deshalb wünscht sie sich mehr Tempo für das vom Land geplante neue Bildungs- und Dokumentationszentrum in Prora. Es wäre schön, noch vor der Wahl mehr Nägel mit Köpfen zu haben, so die Leiterin des Dokumentationszentrums.
Das Land hat 2021 einen Teil des auch als Koloss von Rügen bekannten Nazi-Baus erworben, um dort einen neuen Lernort zu etablieren. Vorgesehene Sanierungsarbeiten sind bislang nicht gestartet, wie das Schweriner Kulturministerium bestätigte. "Dringendste Notsicherungen der Befunde haben stattgefunden", erklärte das Ministerium. Aktuell sind Baugerüste am entsprechenden Gebäudeteil zu sehen.
Kosten von 20 Millionen Euro
Laut Ministerium laufen Gespräche zwischen Land und Bund. Deshalb könnten keine Aussagen zu Bauablauf, Zeitplan oder Vergabeverfahren getroffen werden. Die geschätzten Gesamtbaukosten lägen bei 20 Millionen Euro. Ursprünglich war einmal von insgesamt 13,7 Millionen Euro die Rede gewesen, die Bund und Land zur Verfügung stellen wollten.

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Bei der Anlage an Rügens Küste handelt es sich mit 4,5 Kilometern Länge um eines der größten NS-Bauwerke. In dem Gebäude wollten die Nazis ein Seebad für 20.000 Menschen einrichten. Es war allerdings nie als solches in Betrieb genommen worden. Während des Zweiten Weltkriegs gab es dort unter anderem ein Lazarett oder Polizeibataillone wurden hier für ihren Einsatz gegen Partisanen und Juden ausgebildet. In der DDR wurde Prora militärisch genutzt.
Prora als NS-Propagandainstrument
Die herausragende Bedeutung des Baus zu NS-Zeiten geht nach Ansicht Luckes "manchmal fast ein bisschen unter". Auch wenn der Komplex nicht fertiggestellt worden sei, sei er als Propagandainstrument "recht erfolgreich gewesen". Als KdF-Seebad ("Kraft durch Freude") sollte Prora helfen, die Arbeiterschaft zu motivieren. Hier habe man "die Illusion des sozialen Aufstiegs angedeutet" und dazu beigetragen "diese Idee der Volksgemeinschaft zu verfestigen und die Leute auch ideologisch zu stabilisieren gewissermaßen". Angesichts der Bedeutung besteht nach Ansicht Luckes die berechtigte Frage, wieso Prora nicht ein Bundesprojekt ist.
Eine andere Initiative, die sich in Prora um die Bildungsarbeit zur dortigen Vergangenheit gekümmert hat, ging im vergangenen Jahr in die Insolvenz und musste seine Ausstellung schließen.
In den letzten Jahren ist der größte Teil an Privatinvestoren für Ferien-, Eigentums- und Mietwohnungen verkauft worden. Viel ist saniert und umgebaut worden, teils zu lasten historischer Spuren, wie Lucke sagt. Auch mit Blick auf die touristische und kommerzielle Nutzung sei es wichtig, dass es weiterhin einen Platz für Bildungsarbeit gebe.
Standortfrage "nicht abschließend geklärt"
Der Immobilienmarkt hat sich allerdings abgekühlt, wie auch Lucke erkennen lässt. "Das Setting ist jetzt anders, ja." Dem Vernehmen nach steigt dadurch auch das Interesse, das Dokumentationszentrum am bestehenden Standort als Mieter zu behalten. Sollte das neue geplante Zentrum Realität werden, würde der aktuelle Standort allerdings wegfallen. "Darauf würde es hinauslaufen", erklärte Lucke. "Wenn das aber nicht erfolgt, dann würden wir versuchen hierzubleiben, wo wir sind."
Auf die Pläne für den neuen Standort habe man sich vor allem eingelassen, weil dort ein staatlicher Rahmen gegeben wäre. Davon verspricht sich Lucke mehr Sicherheit für den Erhalt der Bildungsstätte. "Aber die Standortfrage ist letztendlich noch nicht abschließend geklärt, muss man sagen."