Schwierige Jobsuche Arbeitslosenquote so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr

Bei der Agentur für Arbeit sind mehr Menschen arbeitslos gemeldet. Das Angebot an Jobs wiederum ist geringer als früher. (Archiv
Bei der Agentur für Arbeit sind mehr Menschen arbeitslos gemeldet. Das Angebot an Jobs wiederum ist geringer als früher. (Archivbild) Foto
© Soeren Stache/dpa
Die Konjunktur schwächelt, viele Firmen bauen Jobs ab. Die Jahreszahlen der Bundesagentur für Arbeit NRW fallen düster aus.

Die Lage an Nordrhein-Westfalens Arbeitsmarkt ist so schlecht wie lange nicht mehr. Im Jahresschnitt habe die Arbeitslosenquote 2025 bei 7,8 Prozent gelegen und damit so hoch wie seit 2015 nicht mehr, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Düsseldorf mit. Damals hatte sie 8,0 Prozent betragen. Schon seit einigen Jahren steigt die Quote: 2022 lag der Jahresschnitt noch bei 6,8 Prozent, ein Jahr später waren es 7,2 Prozent und 2024 dann 7,5 Prozent. 

Besonders stark war der Verlust an Arbeitsplätzen in diesem Jahr in der Industrie. Die nun schon drei Jahre andauernde konjunkturelle Krise führe dazu, dass arbeitslose Menschen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt aufgrund fehlender Angebote nur schwer schafften, sagte BA-Regionalchef Roland Schüßler. Während die Anzahl der Arbeitslosen um 4,8 Prozent zulegte, sank die Zahl der gemeldeten Arbeitsstellen um 4,5 Prozent - das Jobangebot wurde also geringer.

Schüßler berichtete, dass es auch dann schwierig sei, wenn es eine offene Stelle und gute Bewerber gebe, denn die Arbeitgeber hielten sich bisweilen angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit einer Zusage zurück. Die durchschnittliche Zeit, bis jemand eingestellt wird, werde immer länger. "Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt, aber wir kommen nicht zum Torschuss, weil der Arbeitgeber aufgrund der Konjunktur im Moment nicht einstellt."

Der Arbeitsmarktexperte sprach zudem von einer geradezu paradoxen Situation, dass in vielen Wirtschaftsbereichen zwar abgebaut werde, aber in mehr als einem Drittel der Berufsfelder ein Personalengpass bestehe. Als Beispiele nannte er Energietechnik, Informatik, Lagerwirtschaft sowie das Gesundheits- und Sozialwesen. Diesbezüglich sprach Schüßler von einer Transformations- und Erneuerungskrise, vor der der Arbeitsmarkt stehe. 

Warten auf das Anspringen des Konjunkturmotors

Und wie geht es weiter? Allzu optimistisch gab sich Schüßler nicht. Auf die Frage, wie sich die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr wohl entwickeln werde, sagte er: "Ich wäre froh, wenn wir ein Halten der Arbeitslosigkeit hinbekommen würden." Die Entwicklung hänge stark von der Konjunktur ab. "Irgendwann wird sie anziehen - die Frage ist, zu welchem Zeitpunkt das sein wird."

Der Arbeitgeber-Vertreter Arndt Kirchhoff von Unternehmer NRW forderte Änderungen im Bildungssystem, damit mehr junge Menschen sich für Technik interessierten und für MINT-Berufe entschieden - das Kürzel steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Hier sei der Bedarf der Wirtschaft groß. 

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Kirchhoff zeigte sich mit Blick auf den Arbeitsmarkt ernüchtert. "Die anhaltend schwierige Wirtschaftslage geht mittlerweile bei vielen Betrieben massiv an die Substanz und schlägt sich damit auch zwangsläufig am Arbeitsmarkt nieder", sagte er. "Ein drittes Jahr ohne Wachstum, in manchen Branchen erhebliche Produktionseinbrüche, dazu rekordverdächtige Insolvenzzahlen – es kann nicht überraschen, dass dies nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorübergeht." Es seien tiefgreifende Strukturreformen nötig, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. "Die steigenden Lohnzusatzkosten machen Arbeit hierzulande schlicht noch teurer und Arbeitsplätze damit immer weniger wettbewerbsfähig."

Der NRW-Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Thorben Albrecht, sprach ebenfalls von einer schwierigen Lage der Industrie. "Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um den Abbau von Industriearbeitsplätzen zu stoppen und den Übergang in ein grünes Zeitalter zu gestalten." Es brauche verantwortungsvolle Arbeitgeber, die mutig investierten und auf eine starke Sozialpartnerschaft setzten. 

"Derzeit bildet nur jedes fünfte Unternehmen in NRW aus, die Zahl der angebotenen Stellen ist in diesem Jahr weiter gesunken", so der Gewerkschafter. "Das können wir uns schlicht nicht leisten." Was nicht helfe, seien Attacken auf den Sozialstaat und auf Arbeitnehmerrechte.

dpa