Spenden für den Libanon Deutsche geizen

Das Wasser ist knapp, das Land vermint: Trotzdem fließen Spenden aus Deutschland nur spärlich. Ein Grund für die Hemmungen: Das Land wurde bewusst kaputt geschossen.

Das Wasser ist vielerorts knapp, die Schulen sind seit Wochen geschlossen, Kinder und Erwachsene müssen dringend über die Gefahren von Landminen und Streubomben aufgeklärt werden: Für die Hilfsorganisationen gibt es im Libanon nach wie vor alle Hände voll zu tun. Der nun beschlossene Bundeswehreinsatz im Rahmen der UN-Interimstruppe Unifil wird nach Hoffnung der Organisationen zur Stabilisierung der krisengeschüttelten Region beitragen und so die Arbeit der Helfer erleichtern.

Bei Spenden für die Not leidende Bevölkerung halten sich die Bundesbürger allerdings noch immer vornehm zurück. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, ist derzeit unter anderem damit beschäftigt, bis Mitte Oktober die Schulen im Land auf Vordermann zu bringen. Vor allem im Süden müssen viele zerstörte Gebäude wiederaufgebaut werden, wie der Sprecher von Unicef Deutschland, Rudi Tarneden, berichtet.

Zerstörte Wasserversorgung, geschlossene Krankenhäuser

Die Organisation will zu Schulbeginn zudem 350.000 Kindern Rucksäcke mit Schulsachen wie Stiften und Blöcken zur Verfügung stellen. Daneben kümmert sich Unicef laut Tarneden um die Wiedereröffnung von Krankenhäusern, um die vor allem im umkämpften Südlibanon zerstörte Wasserversorgung und klärt die Menschen über die Gefahren von Minen und Blindgängern auf, unter anderem mittels Aufklebern auf Mineralwasserflaschen.

Den Militäreinsatz will der Unicef-Sprecher nicht kommentieren. Zu hoffen sei, dass die Soldaten nicht zu einer erneuten Eskalation beitragen, sondern die Unsicherheit im Land vertreiben, die wegen der fehlenden politischen Strukturen über dem Land liege. Dann würde auch die Arbeit der Helfer leichter, weil Sicherheitsprobleme und logistische Schwierigkeiten verschwänden, sagt Tarneden.

Doch nicht nur die instabile Lage im Libanon macht den Organisationen zu schaffen; auch die Zurückhaltung der Spender erschwert ihre Arbeit. Tarneden sagt, bislang seien bei Unicef Deutschland 100.000 Euro eingegangen. Alleine das Schulprogramm aber habe einen geschätzten Finanzbedarf von zehn Millionen Dollar (7,9 Millionen Euro).

Keinen eindeutig Schuldigen

Über äußerst geringe Spendeneingänge berichten auch zahlreiche weitere, im Bündnis Aktion Deutschland Hilft (ADH) zusammengeschlossene Organisationen. Demnach ist bislang nur ein Bruchteil der benötigten Gelder gespendet worden. ADH-Sprecherin Janina Niemietz sagt, eigentlich sei dies angesichts der Art des Nahost-Konflikts nicht verwunderlich. Zum einen schwele er schon seit Jahrzehnten, zum anderen gebe es keinen eindeutig Schuldigen. "Da wird dann beim Abendessen über mögliche Spenden diskutiert, ohne zu einem Ergebnis zu kommen", meint Niemietz.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Außer Informationskampagnen gebe es allerdings nicht viel, was die Hilfsorganisationen tun könnten, von denen die ADH zehn vertritt. Vom niedrigsten Spendeneingang der vergangenen Jahre berichtet die Sprecherin des ADH-Mitglieds Malteser Hilfsdienst, Claudia Kaminski. Zur Erklärung verweist sie auf die langjährige Erfahrung, dass Naturkatastrophen mehr Hilfsbereitschaft auslösten als Kriege.

"Viel bewusst kaputt geschossen"

Allerdings seien beim Einmarsch in den Irak und nach Afghanistan mehr Gelder geflossen als jetzt beim Krieg im Nahen Osten. Zur ADH gehört auch die Organisation Care, deren Sprecher Thomas Schwarz die deutschen Nichtregierungsorganisationen vor allem von der Bundesregierung vernachlässigt sieht, die Gelder lieber in andere Hilfstöpfe stecke.

World-Vision-Sprecherin Iris Manner macht politische Gründe für die geringe Spendenbereitschaft verantwortlich: "Viele Menschen denken, da ist viel bewusst kaputt geschossen worden, und wollen deshalb nicht für den Wiederaufbau zahlen." Zudem sei der Libanon im Gegensatz zu zahlreichen anderen Staaten ein relativ gut entwickeltes Land. Eine Tatsache, die offenbar vielen Menschen suggeriert, Spenden seien nicht nötig.

AP
Isabell Scheuplein/AP