Urteil (K)Ein Schmuckstück aus der Urne

Von Mathias Schlosser
Darf man einen Toten zu einem Diamanten pressen lassen? So will es die Tochter eines jüngst verstorbenen Computerfachmanns. Das Amtsgericht Wiesbaden hat dazu nun "Nein" gesagt, aber damit die nächste Runde in einem schaurig-skurrilen Verfahren eröffnet.

Keine 30 Sekunden dauerte der Termin im Saal 314 des Wiesbadener Amtsgerichts. Kurz und knapp erklärte Richterin Anke Hartmann, dass sie den Widerspruch der 19-jährigen Klägerin abweist. Die Abiturientin will die Asche ihres im Januar verstorbenen Vaters in der Schweiz zu einem Diamanten pressen lassen, den sie dann als Erinnerungsstück immer bei sich tragen kann.

Doch kurz bevor Bestatter Mark Michele Albert die Urne zur Überführung in die Schweiz abholen wollte, stoppte die 86-jährige Mutter des Toten den Abtransport mit einer Einstweiligen Verfügung. Dagegen legte die Tochter Widerspruch ein und verlor jetzt.

"Traurig, als ich das Urteil hörte"

"Ich war sehr traurig, als ich das Urteil hörte", sagte die Schülerin. Trotz des großen Medieninteresses wollte sie im Gerichtssaal dabei sein, ließ aber vor allem ihren Anwalt Gerhard Freiling reden. stern.de sagte sie, dass sie weiterkämpfen werde. "Es war der feste Wille meines Vaters, dass ich ihn als Diamant bei mir tragen kann."

Genau das aber glaubt Richterin Anke Hartmann nicht. Sie stützte sich in ihrem Urteil auf einen Besuch des Verstorbenen auf dem Friedhof in Wiesbaden-Dotzheim an Weihnachten 2006. "Dort werde ich auch bald liegen", soll der Verstorbene am Grab seiner Frau einem Schwager gesagt haben; für die Richterin Grund genug, daran zu zweifeln, dass der Computerfachmann wirklich als Diamant an der Kette seiner Tochter enden wollte.

Nun ist erneut die Großmutter am Zug: Sie muss in den nächsten vier Wochen eine Klage in der Hauptsache einreichen. Tut sie es nicht, verfällt die Einstweilige Verfügung und ihre Enkelin kann die Asche doch noch in die Schweiz bringen. Doch damit rechnet Anwalt Freiling nicht.

Dass ihre Oma so verbissen um die Urne kämpft, versteht die 19-Jährige nicht. "Ich hatte doch immer so ein gutes Verhältnis zu ihr", sagt sie und vermutet, dass andere Verwandte im Hintergrund die Fäden ziehen. Die alte Dame selbst war bei der Urteilsverkündung nicht anwesend.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Was machen die Friedhofsverwaltungen

Die Urne bleibt also zunächst einmal weiter bei der Wiesbadener Friedhofsverwaltung. Seine letzte Ruhe findet wird der Computerfachmann wohl noch lange nicht finden: Denn die Frage, ob es grundsätzlich zulässig ist, die Asche von Verstorbenen im Ausland zu Diamanten pressen zu lassen, hat Richterin Anke Hartmann ausdrücklich offen gelassen und betont, dass dies gesondert geklärt werden müsse. Und so könnte auch die Friedhofsverwaltung noch auf den Gedanken kommen, gegen die neue Form der Bestattung zu klagen.