"Förderung der Freiheit" X statt M oder F: In den USA gibt es jetzt auch geschlechtsneutrale Pässe

In den USA jetzt möglich: der Eintrag "X" für ein drittes Geschlecht auf einem Pass, hier auf dem von Dana Zzyym
In den USA jetzt möglich: Auf dem Pass der nichtbinären, intersexuellen Person Dana Zzyym sieht man unten rechts der Eintrag "X" für ein drittes Geschlecht
© Thomas Peipert / DPA
Es ist eine Möglichkeit, auf die viele intersexuelle und nichtbinäre Menschen in den USA gewartet haben: Wer möchte, kann jetzt eine neutrale Geschlechtsbezeichnung in den eigenen Reisepass eintragen lassen.

In den USA ist es seit Anfang dieser Woche möglich, eine neutrale Geschlechtsbezeichnung in den eigenen Reisepass eintragen zu lassen. Anstelle eines "M" für "male" (männlich) oder "F" für "female" (weiblich) erlauben die Behörden jetzt ein "X". Auf den Antragsformularen der US-Regierung wird die zusätzliche Auswahlmöglichkeit bereits angeboten.

Das Außenministerium hatte im vergangenen Jahr angekündigt, eine dritte Geschlechtsoption einzuführen, nachdem die intersexuelle und nichtbinäre Person Dana Zzyym aus Colorado erfolgreich geklagt hatte, dass es unmöglich sei, einen Reisepass zu erhalten, der ihre Geschlechtsidentität widerspiegelt. Zzyym hatte nach eigener Aussage im Passantrag nicht lügen und sich für männlich oder weiblich entscheiden wollen und war deshalb vor Gericht gezogen.

Mehr als fünf Millionen Nichtbinäre oder Intersexuelle in den USA

"Wir arbeiten weiterhin eng mit unseren Partnern auf Bundesebene zusammen, um eine möglichst reibungslose Reiseerfahrung für alle Passinhaber zu gewährleisten, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität", erklärte das Ministerium im März. "Wir bekräftigen unser Engagement für die Förderung und den Schutz der Freiheit, der Würde und der Gleichheit aller Menschen – einschließlich transsexueller, nicht-binärer und geschlechtsuntypischer Personen auf der ganzen Welt."

In den USA sind nach Schätzungen des Williams-Instituts der Universität von Kalifornien in Los Angeles 1,2 Millionen Menschen nichtbinär und vier Millionen intersexuell. Viele von ihnen können sich aufgrund bundesstaatlicher Gesetze nicht offiziell ausweisen, wie der Sender Sky News berichtet. In 14 US-Bundesstaaten sei beispielsweise der Nachweis einer Genitaloperation erforderlich, um die Geschlechtsangabe in der Geburtsurkunde zu aktualisieren. Für das X im Reisepass ist demnach kein medizinischer Nachweis erforderlich.

Das Außenministerium ist die erste US-Bundesbehörde, die die Geschlechtsmarkierung "X" in einem Ausweisdokument anbietet. Sie soll im kommenden Jahr auch auf anderen Dokumenten als Option verfügbar sein. Der Marker wird offiziell als "nicht spezifizierte oder andere Geschlechtsidentität" definiert. Die Definition sei nach öffentlichem Feedback, Beratungen mit Partnerländern und gemeinsamen Untersuchungen mit dem Nationalen Zentrum für Gesundheitsstatistik einschließlich Interviews mit Mitgliedern der LGBTQI+-Community entstanden, teilte das Ministerium mit. LGBTQI+ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, queere und intersexuelle Menschen. Die Option für ein drittes Geschlecht im Pass bieten bereits mehr als ein Dutzend Länder an, darunter Deutschland, Kanada, Australien und Indien.

Viele Bundesstaaten schränken LGBTQI+-Rechte ein

Der Schritt des US-Außenministeriums gehört zu einer Reihe von Maßnahmen, mit denen die Regierung von US-Präsident Joe Biden eine Welle von bundesstaatliche Regelungen kontern will, die gegen Transgender-Menschen gerichtet sind. So unterschrieb die Gouverneurin von Alabama am vergangenen Freitag ein Gesetz, das geschlechtsangleichende Behandlungen bei Jugendlichen kriminalisiert. Demnach kann die Versorgung Minderjähriger mit Hormonen, Pubertätsblockern oder Operationen, um ihre körperlichen Merkmale an ihre Geschlechtsidentität  anzupassen, mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden.

In Florida unterzeichnete Gouverneur Ron DeSantis jüngst ein Gesetz, das die Themen "sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität" vom Kindergarten bis zur dritten Klasse untersagt und für ältere Schüler einschränkt. Und in gut einem Dutzend Bundesstaaten gelten Regelungen, die Trans-Menschen daran hindern, in den Sportteams zu spielen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen – etwa an Schulen.

Landesweit habe es in diesem Jahr eine Rekordzahl von Gesetzesentwürfen gegeben, welche die Rechte der LGBTQI+-Gemeinde einschränken sollten, berichtet der Sender NBC. Die "Washington Post" schreibt sogar von einer "historischen Welle". 

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Dana ZZyym hat bereits vor einige Zeit der Nachrichtenagentur Reuters geschildert, was ein Reisepass mit drittem Geschlecht für LGBTQI+-Menschen bedeutet: "Es ist, als ob wir sagen: Hier sind wir und wir sind gekommen, um zu bleiben", erklärte das 63 Jahre alte Ex-Mitglied der US-Navy, das sich auch für andere für intersexuelle Menschen einsetzt. "Ihr könnt uns nicht mehr aufhalten. Ihr könnt unsere Existenz nicht mehr leugnen. Ihr könnt nicht sagen, dass wir nicht existieren, wissen Sie? [...] Wir waren schon immer da, aber jetzt können wir es legal sagen."

mad