Brände in Griechenland "Wir sind in Schockstarre": Einheimische über das Inferno auf Rhodos

Waldbrand Rhodos
Ein Mann trägt ein Kind aus einem Waldbrandgebiet auf der griechischen Insel Rhodos
© Lefteris Damianidis / InTime News / AP / DPA
Die Warnung kam wenig überraschend: Als der Waldbrand auf der griechischen Insel Rhodos eskalierte, musste das Ehepaar Groß fliehen. Dabei hätten die Behörden vorher mehr gegen die Brände tun können.

Es war Samstagabend, als Hans-Georg Groß und seine Frau Gudrun Frensch-Groß eine alarmierende Nachricht auf ihren Smartphones erhielten. Die Waldbrände auf Rhodos waren außer Kontrolle geraten, die Flammen leckten bereits an ihrem Dorf nahe der Stadt Laerma. Das Ehepaar musste fliehen. Sie packten zusammen, was zu packen war: Papiere, Geld, die zwei Hunde, Rucksäcke mit Proviant für zwei bis drei Tage – und die vier Enkelkinder, die gerade zu Besuch sind.

Es ist die größte Evakuierungsaktion, die die griechische Urlaubsinsel wohl erlebt hat: 19.000 Touristen und Einheimische wurden am vergangenen Wochenende mit Bussen in Sicherheit gebracht. Viele harren an Stränden aus, in der Hoffnung, dass die Flammen das Meer nicht erreichen. Tausende weitere flüchteten auf eigene Faust. Insgesamt sollen 30.000 Menschen betroffen sein.

Auch das Ehepaar Groß drängte sich mit Sack, Pack und Enkeln ins Auto und fuhr in den Süden. Seit mehr als zehn Jahren leben Hans-Georg und Gudrun Groß auf Rhodos. So etwas haben sie noch nie erlebt. "Wir sind seit über einer Woche in Schockstarre und müssen jetzt das Beste aus allem machen", sagt Hans-Georg Groß am Telefon. Er wirkt gelassen. Wo sie jetzt untergebracht sind, gibt es keinen Strom und kein Wasser. Und offenbar nur wenig Netz. Die Verbindung ist schlecht, bricht immer wieder ab.

Eine braune Rauchwolke wälzt sich über die griechische Insel Rhodos
Luftaufnahme der Brände: Eine braune Rauchwolke wälzt sich über die griechische Insel Rhodos
© Christophe Gateau / DPA

In ihrem Heimatdorf sollen die Feuerwehrleute gegen die Flammen kämpfen. Noch steht ihr Haus. Die Behörden informieren die evakuierten Bewohner regelmäßig – welche Häuser noch stehen, von wo die Flammen kommen. Groß hatte noch versucht, das Grundstück gegen die Flammen abzusichern. Doch dafür blieb dann keine Zeit mehr.

"Brände sind keine permanente Bedrohung"

Schon jetzt haben die Flammen zehn Prozent der Hotels auf der Insel beschädigt, sagte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Zu den privaten Schäden machte er keine Angaben. Und Rhodos ist nicht die einzige Insel in Flammen. In der Nacht zu Montag wurden 2500 Menschen vor Bränden auf der Insel Korfu in Sicherheit gebracht. In 64 Regionen Griechenlands kämpft die Feuerwehr aktuell gegen Waldbrände. Regierungschef Mitsotakis sprach von einem "Krieg", Schuld sei der Klimawandel. Opfer gab es bisher keine, dafür bleibt die Brandgefahr weiter extrem hoch – insbesondere im Großraum Athen, auf der Halbinsel Peloponnes und vielen Inseln der Ägäis.

Touristen am Strand
Tausende Touristen mussten aus ihren Unterkünften fliehen. Am Strand sind sie vor den Flammen sicher
© Argyris Mantikos / Eurokinissi / AP / DPA

Auf Korfu ist das Schlimmste nun überstanden. Laut örtlichem Radiosender können die Menschen wieder in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren. Anders auf der Insel Rhodos: Das Ehepaar Groß und Tausende Einheimische und Touristen müssen bleiben, wo sie gerade sind. So lange, bis sich das Inferno vor ihrer Haustür wieder beruhigt hat. Wann das sein wird und ob von ihrem Zuhause mehr als ein Haufen Asche übrig bleiben wird, wissen sie nicht.

Vor 15 Jahren habe es schon einmal in ihrer Region gebrannt – auch direkt vor ihrem Haus, erinnert sich Gudrun Frensch-Groß. "Insgesamt ist die Insel aber sehr grün und es ist jetzt nicht so, dass hier alles abgebrannt wäre", sagt sie. "Brände sind keine permanente Bedrohung, wegen der man hier nachts wachliegt", fügt ihr Mann hinzu. Aber die Feuerwehr könnte die Flammen besser im Griff haben, finden sie.

Zumindest hätte man mehr Schneisen in die Wälder schlagen können. Und allgemein mehr Geld in den Brandschutz investieren können. Warum das nicht geschehen sei? Das wisse niemand. Nur: "Wenn es brennt, dann schimpfen die Leute wahnsinnig auf die Politiker." Das Ehepaar Groß schimpft nicht. Aber in den ersten Tagen der Brände hätte mehr passieren können. Damals sei es noch windstill gewesen, die Löscharbeiten womöglich ein Kinderspiel. Doch dann kam der Sturm. "Unter diesen Umstände kriegt man das Feuer natürlich nicht in den Griff", sagt Gudrun Frensch-Groß.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?

Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.

Nordwind könnte Feuer auf Rhodos weiter aufheizen

Unterdessen kreisen die Löschflieger und Hubschrauber über den Insel. Aus Ägypten und der Türkei ist Verstärkung angerückt. Für die Bewohner heißt es: durchhalten – möglicherweise nur noch wenige Tage. Für Donnerstag hat der Wetterdienst einen Temperatursturz vorausgesagt. Statt der überdurchschnittlichen 40 bis 45 Grad soll es dann nur noch um die 35 Grad warm sein. Einziger Nachteil: Die Abkühlung wird von starken Nordwinden verursacht. Und die könnten die Brände weiter auflodern lassen. Der Zivilschutz warnte bereits, die Flammen könnten erneut außer Kontrolle geraten.

Waldbrand Rhodos
Mit internationaler Hilfe versucht Griechenland, die Waldbrände zu löschen
© Argiris Mantikos / XinHua / DPA

Immerhin sind die Enkelkinder von Hans-Georg und Gudrun Groß in Sicherheit. "Unsere Tochter hat die Flüge der Kinder kurzfristig noch umbuchen können", berichten sie. Am Sonntagabend brachte Hans-Georg Groß brachte seine Enkel zum Flughafen. Dort startete tatsächlich eine Maschine Richtung Deutschland. Allerdings konnten die vier nur mit Handgepäck reisen. Der Rest ist noch im Haus.

Um nach dem Rechten zu sehen und ein paar Habseligkeiten zu holen, ist das Ehepaar Groß noch einmal zu seinem Haus zurückgefahren. Ins Dorf kamen sie da schon nicht mehr. Die Polizei hatte alles abgeriegelt und schickte beide wieder zurück. Jetzt bleibt ihnen nur eines: Auf die Entwarnung warten.