Narzissmus ist ein Persönlichkeitsstil, der in unserer Leistungsgesellschaft mittlerweile sehr weit verbreitet ist. Manche Menschen haben nur geringe bis mittlere Anteile von Narzissmus in sich, während einige wenige die Kriterien der narzisstischen Persönlichkeitsstörung erfüllen. Aber schon in geringem Maße kann sich die Persönlichkeitsstruktur, die durch einen geringen Selbstwert im Inneren sowie eine ausgeprägte Selbstbezogenheit und Empathielosigkeit im Außen geprägt ist, negativ auf Beziehungen auswirken.
Das Problem ist oft: Narzissten geben sich in zwischenmenschlichen Beziehungen erst recht spät als solche zu erkennen. Ganz egal, ob beim Dating, im Bekanntenkreis oder im Arbeitsumfeld – sie sind es meistens, die auf den ersten Blick am meisten Charisma ausstrahlen. Demensprechend beliebt sind Narzissten, zumindest vorerst. Denn sobald sich die toxischen Eigenschaften der Betroffenen zeigen, wenden sich viele Menschen wieder von ihnen ab. Aber das gelingt eben nicht allen gleichermaßen gut.
Wer besonders anfällig für Narzissten ist
Es gibt Charaktere, die besonders anfällig dafür sind, immer wieder mit Narzissten anzubandeln, obwohl sie es eigentlich besser wissen. Welche genau das sind, darüber gibt es verschiedene Theorien in der Psychologie. Ähnlich, wie bei der narzisstischen Persönlichkeitsstruktur selbst, gibt es hierzu bislang noch keine ausreichende Forschungslage. Aber es gibt Indizien darauf, welcher Typus sich häufig auf Narzissten einlässt.
Zu diesen Menschen gehören vor allem die sogenannten Echoisten. Sie neigen dazu, sich an das Verhalten und die Gefühlslage ihres Gegenübers anzupassen und sich selbst für die Bedürfnisse anderer zurückzunehmen. Eigenschaften, die auf den ersten Blick gut zum Anerkennungsdrang und der Machtsucht von Narzissten passt. Allerdings sind Echoisten von Natur aus sensible und sehr mitfühlende Menschen, die sich schnell verlieren, wenn ihre rücksichtsvolle Art ausgenutzt wird.
Empathie ist ohnehin ein gutes Stichwort, wenn es um Narzissten geht. Während sie selbst oft einen Mangel an echtem Mitgefühl aufweisen, ziehen sie auf wundersame Weise oft genau die Menschen an, die besonders empathisch agieren. Die haben dann häufig das Bedürfnis, den narzisstischen Partner oder Kollege durch viel Fürsorge verändern zu können und zu seinem “wahren Ich“ durchzudringen. Tatsache ist aber, dass die narzisstische Persönlichkeit real ist und die meisten Narzissten sich nicht ändern wollen. Sie finden sich in der Regel nämlich ziemlich super.
Das Problem mit dem Selbstwertgefühl
Aber Empathen und Echoisten sind nicht die einzigen, die anfällig für Narzissten sind. Auch Menschen, die eine anders gelagerte Selbstwertthematik haben und sich selbst als “nicht gut genug“ oder minderwertig empfinden, bleiben mitunter länger bei einem Narzissten, als ihnen guttut.
Hier geht es nicht um einen Rettungsgedanken, sondern vielmehr darum, dass der Narzisst die Betroffenen mit seinen subtilen Erniedrigungen und dem Kleinhalten im eigenen Selbstbild unterbewusst bestätigt. Wer selbst denkt, er habe keine Liebe verdient, der nimmt die vermeintliche Liebe eines Narzissten dankbar an – so toxisch sie auch sein mag.
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Für viele Jugendliche hat das Tagebuchschreiben einen festen Platz im Alltag. Man notiert, was einen beschäftigt, wie es einem geht und wovon man träumt. Je älter wir werden, desto eher hören wir allerdings damit auf, unsere Gedanken zu Papier zu bringen. Dabei kann so ein Tagebuch echt hilfreich sein. Wer seine Gedanken aufschreibt, der schafft Platz im Kopf. Das hilft vor allem dann, wenn man im Gedankenkarussell gefangen ist oder sich nicht konzentrieren kann, weil ständig neue Tabs im Kopf aufploppen. Außerdem reflektieren wir unsere Gedanken und Erlebnisse noch einmal, wenn wir sie aufschreiben. Das kann uns helfen, den Blick zu weiten und neue Perspektiven einzunehmen. Das Tagebuch kann also helfen, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, sich selbst besser kennenzulernen und Struktur ins Gedankenchaos zu bringen. Und wenn man sich daran mal nichtmehr erinnern kann, dann hat man es ja sogar schriftlich.
Es kommt aber auch vor, dass Menschen, die eine enge Beziehung zu einem Narzissten pflegen, selbst narzisstische Züge in sich tragen und zu Co-Narzissten werden. In diesem Fall sonnen sich beide Parteien gegenseitig im Schein des anderen und versuchen sich, gegenseitig durch Machtspielchen zu übertrumpfen. Solange, bis der eine dem anderen langweilig wird oder er keinen Nutzen mehr aus der Verbindung zieht. Eine dauerhafte Beziehung ist so kaum möglich.
Apropos Machtspiele: Es gibt auch die Annahme, dass Narzissten sich bewusst Partner suchen, die eine gewisse Stärke ausstrahlen, um genau diese dann zu zerstören. Die Autorin Shannon Thomas hat das Buch "Healing from Hidden Abuse" geschrieben und beschreibt im Gespräch mit "Business Insider", was auf viele Narzissten attraktiv wirkt: “Sie geraten ins Visier, wenn sie guter Verfassung sind, viel trainieren und auf ihr Äußeres achten.“
Der richtige Umgang mit Narzissten
Grundsätzlich kann also jeder in den Radius eines Narzissten geraten. Und theoretisch kann auch jeder, unabhängig von Empathie oder Selbstwert, auf einen Menschen mit narzisstischen Zügen reinfallen. Denn in der ersten Zeit können diese Menschen überdurchschnittlich mitfühlend, aufmerksam und charmant auftreten. Sie haben oft eine sehr gute Menschenkenntnis und wissen deshalb genau, welche Bedürfnisse sie bei ihrem Gegenüber stillen müssen, um ihr Ziel zu erreichen: Anerkennung und Bewunderung.
Die entscheidende Frage ist bei einer Verbindung zu einem Narzissten immer, ob man das Spiel mitspielt oder Grenzen setzt und sich selbst schützt, wenn das Verhalten toxisch wird. Denn die perfekte Maskerade hält meistens nicht lange. Irgendwann beginnen Erniedrigung und Manipulation. Und Menschen mit einem gesunden Instinkt und einer mentalen Stabilität entfernen sich genau dann von narzisstischen Personen.
Viele Menschen haben aber genau damit Schwierigkeiten. Dabei hilft es schon, auf sein Bauchgefühl zu hören. Narzissten widersprechen sich in der Regel häufig und versprechen einem das Blaue vom Himmel, während sie nicht selten genau das Gegenteil machen. Und sie sind nie an irgendwas schuld. Wem solche Verhaltensweisen auffallen, der sollte ernsthaft darüber nachdenken, die Distanz zu wahren. Gleiches gilt, wenn alles zu schön ist, um wahr zu sein.
Distanz aufbauen zu einem narzisstischen Menschen ist nicht einfach. Wenn er merkt, dass die Bewunderung sinkt, dann kommt es mitunter zu manipulativen Versuchen, die Zuwendung wiederzubekommen. Denn er braucht sie, um seinen niedrigen Selbstwert durch Anerkennung von außen aufzuwerten. Aber auch, wenn dann Besserung versprochen wird, dann sind das oft nur leere Worte.
Narzissmus gehört in der Regel zu dem Menschen dazu – und der Persönlichkeitsstil verschwindet nicht von heute auf morgen. Eine Therapie kann Betroffenen zwar helfen, damit besser klarzukommen. Aber auch das ist keine Garantie, dass aus einer toxischen Verbindung eine gesunde werden kann. Wer also auf einen Narzissten hereingefallen ist, der kann sich selbst oft nur mit Abstand schützen – und damit, die eigenen Themen anzugehen, damit es nicht so schnell wieder passiert.
Quelle: Business Insider, Ratgeber Narzissmus