Der Toast mit Marmelade fliegt aus der Hand oder ein Stück Banane bricht ab – das Essen landet auf dem Boden. Was tun? Wer die berühmte 5-Sekunden-Regel kennt, wird die Scheibe Toast vielleicht noch essen. Sie besagt, dass Essen, welches auf dem Fußboden gelandet ist, noch gegessen werden kann, wenn es innerhalb von fünf Sekunden aufgehoben wird. Manch einer mag diese Regel auch als 3-Sekunden-Regel kennen – das Prinzip ist das gleiche. Allerdings fragen nicht nur wir uns, ob wir heruntergefallene Lebensmittel noch essen können – auch Wissenschaftler:innen sind dieser Frage nachgegangen.
Was passiert, wenn Lebensmittel auf den Boden fallen, ist recht simpel zu erklären: Fällt der Toast, die Wassermelone oder das Bonbon auf den Küchenboden, bleiben jene Bakterien an dem Lebensmittel haften, die sich auf dem Untergrund tummeln. So weit, so klar. Doch welche Rolle spielt dabei die Zeit, die das Lebensmittel auf dem Boden verweilt? Um diese Frage zu beantworten, haben verschiedene Forschende einige ganz ähnlich aufgebaute Experimente gemacht: Lebensmittel werden auf einen mit Bakterien präparierten Boden mit unterschiedlichem Belag fallen gelassen und nach einer bestimmten Zeit wieder aufgehoben. Hinterher haben die Wissenschaftler:innen geschaut, wie viele Bakterien an den Speisen hafteten.
5-Sekunden-Regel in der Wissenschaft
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2014 von Biologie-Studierenden in ihrem Abschlussjahr unter der Leitung von Mikrobiologie Anthony Hilton kam zu dem Ergebnis, dass Zeit ein wichtiger Faktor bei der Übertragung von Bakterien auf heruntergefallene Lebensmittel ist. Und auch die Art des Bodens und die Feuchtigkeit der Speise spielt eine Rolle. Laut diesem Experiment ist es ok, die 5-Sekunden-Regel anzuwenden.
In der Untersuchung haben die Studierenden die Bakterien Escherichia coli und Staphylococcus aureus verwendet. Sie haben untersucht, wie viele Bakterien sich an Toast, Nudeln, Keksen und klebrigen Bonbons nach dem Herunterfallen auf Teppich, Fliesen oder Laminat befinden. Sie haben den Kontakt des Lebensmittels mit dem Boden zwischen drei und 30 Sekunden beobachtet. An feuchten Speisen blieben mehr Bakterien hängen als an trockenen, wenn sie länger als fünf Sekunden auf der kontaminierten Fläche lagen. Und: Nach dem Fall auf den Teppichboden bleiben weniger Bakterien haften als bei dem Kontakt mit Hartböden.
Anthony Hilton sagte gegenüber "Science Daily" zu den Ergebnissen, dass es immer ein Infektionsrisiko berge, wenn Lebensmittel auf den Boden fallen und mit Bakterien kontaminiert sind. Es hänge aber auch stark davon ab, welche Bakterien sich auf dem Boden befinden würden. Er führte weiter aus: "Wir haben Beweise dafür gefunden, dass die Übertragung von Bakterien von Bodenbelägen in Innenräumen unglaublich gering ist, wobei Teppichböden tatsächlich das geringste Risiko der Übertragung von Bakterien auf heruntergefallene Lebensmittel darstellen."
Zwei ganz ähnliche Untersuchungen, eine aus dem Jahr 2006 an der Clemson University und die Studie eines Forschungsteams um Donald Schaffner, Professor und Spezialist für Lebensmittelwissenschaften der Rutgers University, einige Jahre später kommen allerdings zu einem anderen Schluss.
Bei der Untersuchung der Clemson-University arbeiteten die Wissenschaftler:innen mit Brot und Lyoner und dem Bakterium Salmonella Typhimurium. Auch hier wurde die 5-Sekunden-Regel auf verschiedenen Bodenbelägen getestet: Holzboden, Fliesen und Teppich. Die Forschenden haben hier jedoch zunächst auch noch untersucht, wie lange die Salmonellen auf den Oberflächen überleben können.
Zwölf Alternativen für alle, die das Naschen nicht lassen wollen

Die Forschenden der Rutgers University haben Brot, mit Butter bestrichenes Brot, Wassermelone und Fruchtgummis auf Teppich, Fliesen, Holz und Edelstahl fallen lassen. Auch hier setzten die Forschenden ein Salmonellen ähnliches Bakterium ein. Die Liegedauer bei den Tests betrug weniger als eine Sekunde, fünf, dreißig oder dreihundert Sekunden. Die Erkentnisse aus den beiden Untersuchungen: Je feuchter das Lebensmittel, desto mehr Bakterien bleiben an ihm kleben. Und: Nach dem Fall auf den Teppichboden blieben weniger Bakterien haften als es bei Hartböden der Fall ist. Und bei einer längeren Verweildauer finden sich auch mehr Bakterien an den heruntergefallenen Speisen.
"Die Fünf-Sekunden-Regel ist eine starke Vereinfachung dessen, was tatsächlich passiert, wenn Bakterien von einer Oberfläche auf Lebensmittel übertragen werden", sagte Donald Schaffner von der Rutgers University in einer Mitteilung. "Bakterien können sofort kontaminieren."
Die Forschenden in allen drei Untersuchungen kommen im Grunde zu sehr ähnlichen Erkenntnissen, schätzen sie aber unterschiedlich ein. Sie sind sich also uneinig darüber, ab wie vielen anhaftenden Bakterien man ein Lebensmittel, das heruntergefallen ist, nicht mehr essen sollte.
Anzumerken ist allerdings, dass bei den Experimenten sehr stark darauf geschaut wird, wie viele Bakterien an dem heruntergefallenen Lebensmittel kleben. Ernst Tabori, Ärztlicher Direktor am Deutschen Beratungszentrum für Hygiene in Freiburg, sagte gegnüber der "Süddeutschen Zeitung", dass er es für unsinnig halte, von der Anzahl der Bakterien auf die Gefahr zu schließen. Der Körper habe die nötigen Mittel, um "mit Keimen fertigzuwerden".
Heruntergefallene Speisen noch essen – oder besser nicht?
Was heißt das also für uns? Nicht nur der Faktor Zeit spielt eine Rolle dabei, wie viele Bakterien an einem Lebensmittel kleben bleiben, wenn es auf den Boden gefallen ist. Auch die Feuchtigkeit der Speise und der Bodenbelag. Und natürlich kommt es auch darauf an, welche Bakterien sich auf dem Boden befinden. Ob sich darunter eines befindet, welches eine Infektion auslösen könnte. Und wie sauber der Boden ist.
Heißt: Wenn uns ein Keks auf den Teppichboden fällt, werden nach ein paar Sekunden an ihm weniger Bakterien kleben bleiben als auf einem Stück Wassermelone, das auf Fliesen gefallen ist. Den Keks noch zu essen, wird also vermutlich weniger unappetitlich sein.
Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte heruntergefallene Lebensmittel besser entsorgen – unabhängig davon, ob sie zwei oder fünf Sekunden auf dem Boden lagen. Ernst Tabori weist außerdem darauf hin, dass neben Keimen auch Tierhaare oder Staubpartikel an dem Lebensmittel haften können – das kann bei Allergiker:innen zu Abwehrreaktionen führen.
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Quellen: Science Daily, Mitteilung Rutgers University, Studie Rutgers University, Studie Clemson-University, Time , Süddeutsche Zeitung