50 Jahre Herzschrittmacher Eine Dose, die Leben spendet

Von Kai Lennart Kupferschmidt
Heute vor 50 Jahren wurde dem Schweden Arne Larsson ein Gerät eingesetzt, das sein Herz antreibt. Der erste Herzschrittmacher der Welt war damals eigentlich technisch noch nicht ausgereift, doch Larssons Frau konnte die Entwickler überzeugen, die Dose in den Körper ihres todkranken Mannes einzusetzen.

An manchen Tagen musste Arne Larsson dreißig Mal wiederbelebt werden. "Adam-Stokes-Anfälle" nannten die Ärzte die lebensgefährlichen Ohnmachtsattacken, die ihn plötzlich überkamen, und sie hatten auch eine Erklärung dafür: Eine Virusinfektion hatte auf Larssons Herz Narben hinterlassen, die die normale Weiterleitung der elektrischen Erregung im Herzen störten. Das Herz des 43-Jährigen zog sich nicht mehr synchron zusammen, wie es ein gesundes mit jedem Herzschlag tut. Die chaotischen Kontraktionen von Vorhöfen und Kammern führten dazu, dass nicht genügend Blut in den Kreislauf gepumpt wurde. Larssons Gehirn wurde nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt - und er fiel in Ohnmacht.

1958 wurde Larsson im Karolinska-Krankenhaus in Solna bei Stockholm behandelt. Zur gleichen Zeit versuchten dort der Herzchirurg Ake Senning und der Ingenieur Rune Elmquist einen Herzschrittmacher zu entwickeln, der Patienten eingepflanzt werden konnte. Die Idee eines Taktgebers für das Herz war alt: Die Art und Weise, wie sich die elektrische Erregung im Herzen ausbreitet und so zu einer Kontraktion des Herzmuskels führt, war länger bekannt. Auch dass man Herzrhythmusstörungen beheben kann, indem man dem Herzen mit elektrischer Stimulation den richtigen Takt vorgibt, wussten die Wissenschaftler bereits.

Es gab schon erste Herzschrittmacher. Doch dabei handelte es sich um große Geräte, die über Drähte mit den Herzen der Patienten verbunden wurden. Der Patient war an die Maschine gefesselt, seine Welt schrumpfte auf die Flure und Zimmer zusammen, die er mit dem Gerät auf Rollen erreichen konnte. Senning und Elmquist tüftelten nun an einem Schrittmacher, der komplett im Körper des Menschen arbeiten sollte. 1958 hielten sie Technik eigentlich noch nicht für einsatzbereit, aber Arne Larssons Frau Else Marie stimmte die Wissenschaftler um. Sie war verzweifelt: Ihr Mann lag nun schon mehrere Woche im Krankenhaus, ohne dass ihm eine Therapie helfen konnte.

So bekam Larsson am 8. Oktober 1958 dank seiner Frau als erster Patient der Welt einen Herzschrittmacher implantiert. Es war eine rundes Behältnis von etwa sechs Zentimetern Durchmesser, das aussah wie eine Schuhcremedose. Innen befanden sich neben zwei Transistoren eine Nickel-Cadmium-Batterie und eine Spule, über die die Batterie von außen jede Woche wieder aufgeladen werden musste. Das Ganze war mit Hartwachs ausgegossen.

Die Ärzte sägten Larssons Brustkorb auf und pflanzten den Herzschrittmacher ein, die Elektroden nähten sie auf das Herz. Wie ein Metronom gab das Gerät Larssons Herz nun einen Takt von genau 72 Schlägen pro Minute vor. Doch der erste implantierte Herzschrittmacher der Welt arbeitete nur kurze Zeit. Schon nach drei Stunden versagte er den Dienst, und er musste durch das einzige andere Exemplar ersetzt werden. Das allerdings funktionierte deutlich länger als sein Vorgänger: Der zweite Schrittmacher stimulierte Larssons Herz mit Unterbrechungen fast drei Jahre lang.

Heute, 50 Jahre später, halten Herzschrittmacher nach Herstellerangaben im Durchschnitt etwa acht Jahre. Die Operationen dauern häufig nicht länger als 20 Minuten, eine Vollnarkose ist nicht mehr nötig. "Das ist absolute Routine", sagt Alexander Bauer, Kardiologe an der Uni Heidelberg und Leiter des Bereichs Schrittmacher. Zunächst werde der Patient im Bereich des Schlüsselbeins lokal betäubt, beschreibt der Kardiologe die Operation. Dann werde dort ein drei bis vier Zentimeter langer Schnitt gemacht, über den die Vena Subclavia erreicht werden kann. Über diese Vene, die sich etwa zwei Zentimeter unter der Haut befindet, führt der Arzt dann die Elektrode ans Herz, wo er sie mit einer kleinen Schraube an der Herzwand befestigt. Zuletzt wird noch eine kleine Tasche unter dem Brustmuskel präpariert, in der der eigentliche Herzschrittmacher befestigt wird.

98.800 solcher Operationen wurden im Jahr 2007 allein in Deutschland durchgeführt. Die Geräte, die dabei eingesetzt werden, haben sich sehr weit von der Schuhcremedose entfernt, die Larsson 1958 implantiert wurde. Neben dem ersten Herzschrittmacher sehen sie fast winzig aus: Nicht einmal halb so groß sind sie und wiegen etwa 20 Gramm. Die Nickel-Cadmium-Batterie ist längst durch eine Lithium-Iod-Batterie ersetzt worden, die nicht mehr wöchentlich aufgeladen werden muss – stattdessen wird nach einigen Jahren das gesamte Gerät ersetzt. Viele moderne Herzschrittmacher sind inzwischen auch in die natürliche Herzfunktion eingebunden, sie geben dem Herzmuskel nur noch dann einen Impuls, wenn die körpereigene Reizweiterleitung nicht funktioniert. Inzwischen gibt es sogar Herzschrittmacher mit Antenne, die technische Daten zur Routinekontrolle direkt an den behandelnden Kardiologen senden können.

Einen Großteil dieser Entwicklung hat Larsson noch am eigenen Leib erfahren. Der erste Patient, der jemals einen Herzschrittmacher eingepflanzt bekam, starb erst im Dezember 2001 im Alter von 86 Jahren. Er trug damals den 24. Herzschrittmacher seines Lebens.

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