Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat trotz erster Entspannung in der Coronakrise um Verständnis für weiter nötige Beschränkungen geworben. "Die Infektionszahlen sinken, auch ermutigend stark", sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. Dies sei aber nicht stark genug für umfassende Lockerungen. Dafür sei das Infektionsgeschehen noch zu hoch, und ansteckendere Virusmutationen seien zu gefährlich.
Spahn: "Wenn wir jetzt öffnen, verspielen wir den bisherigen Erfolg"
Spahn räumte ein, der Winter sei hart. Dies sei zwar erwartet worden, doch "die Realität fühlt sich nach diesen vielen Wochen noch viel härter an". Alle wünschten sich den früheren Alltag zurück. Es sei jedoch besser, jetzt noch eine Weile durchzuhalten, "als Rückschläge zu riskieren", so der Gesundheitsminister. Darauf zielten auch die Beschlüsse von Bund und Ländern für einen längeren Lockdown bis vorerst 7. März. Es gelte weiterhin, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. "Wenn wir jetzt öffnen, verspielen wir den bisherigen Erfolg dieser sehr schwierigen Maßnahmen."
Ohne Alternative seien wegen der Coronavirus-Mutationen auch die in Tschechien, der Slowakei und im Tirol eingeführten Grenzkontrollen. Für "Virusvarianten-Gebiete" gilt ein grundsätzliches Beförderungsverbot für Fluggesellschaften, Bahn-, Bus- und Schifffahrtsunternehmen. Außerdem müssen Einreisewillige sich vorab auf das Coronavirus testen lassen, wie Spahn ausführte. Zudem gilt eine Quarantänepflicht nach der Ankunft in Deutschland.
Derartige Maßnahmen schmerzten sehr, sagte Spahn. Sie seien aber "für eine gewisse Zeit unumgänglich", um den weiteren Eintrag der mutierten Coronaviren zu unterbinden. "Wir müssen unser Land vor weiteren Viren schützen." Man könne daher auch weitere Grenzkontrollen nicht ausschließen.
Spahn über Schnelltests: "Guter und wichtiger Baustein"
Neuigkeiten gibt es hingegen bei den PCR-Tests. Der Gesundheitsminister kündigte an, die Empfehlung an die Ärzte so überarbeiten, dass ab kommender Woche wieder jeder mit Corona-Symptomen einen PCR-Test bekommen kann. Angesichts der ausgebliebenen Grippewelle und sinkender Corona-Zahlen gebe es wieder freie Kapazitäten in den Laboren, sagte Spahn. Im November waren die Empfehlungen für PCR-Tests wegen der stark steigenden Infektionszahlen geändert worden. Seitdem wird nicht mehr jeder mit Symptomen automatisch auf Corona getestet.
Es gebe zudem erste Anträge für die Zulassung von Schnelltests, die auch Laien anwenden könnten. Ob und wann diese kämen, hänge vor allem an ihrer Qualität. "Wenn sie ausreichend gut sind, ist das ein guter und wichtiger Baustein", so Spahn. In Bereichen der kritischen Infrastruktur wie etwa dem Lebensmittelhandel könnten heute schon zugelassene Schnelltests bezogen und nach einer Schulung genutzt werden.
Mit Blick auf anstehende Schulöffnungen kündigte Spahn an zu prüfen, ob Kita-Personal und Grundschul-Lehrkräfte früher geimpft werden können. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten hatten angeregt, sie aus der dritten in die zweite Prioritätsgruppe für Impfungen vorzuziehen. Spahn betonte, dass in jedem Fall zuerst die laufenden Impfungen in der ersten Prioritätsgruppe abgeschlossen werden sollten – dazu gehören Über-80-Jährige, Personal und Bewohner in Pflegeheimen. Auch bei einer Änderung zugunsten von Erzieherinnen und Lehrkräften könnten diese aber erst im Frühjahr an die Reihe kommen, wenn mehr Impfdosen zur Verfügung stünden.
RKI-Chef: "Verhindern wir doch alle, wenn immer möglich, Ansteckungen"
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, sieht Deutschland in der Corona-Pandemie "alles in allem auf einem guten Weg". Er verwies am Freitag auf die sinkenden Fallzahlen. Auch auf vielen Intensivstationen "stabilisiert sich die Situation", wenngleich sie weiterhin "angespannt" sei. "Die Corona-Maßnahmen wirken", hob Wieler hervor.
Er mahnte zugleich weiterhin zur Einhaltung der Eindämmungsmaßnahmen. "Verhindern wir doch alle, wenn immer möglich, Ansteckungen", appellierte Wieler. Insbesondere die Ausbreitung der ansteckenderen Virusvarianten müsse gebremst werden.
RKI-Chef Wieler berichtete außerdem, die Corona-Maßnahmen wie Händewaschen und Abstandhalten führten dazu, dass derzeit "in der gesamten Bevölkerung viel weniger Infektionskrankheiten als sonst" grassierten. Beispielsweise sei die saisonal übliche Grippewelle in diesem Winter "bislang ausgeblieben". Auch einfache Erkältungskrankheiten und Durchfallerkrankungen träten viel seltener auf als sonst üblich. Diese Entwicklung sei in der Pandemielage "ein echter Pluspunkt", sagte Wieler. Arztpraxen und Krankenhäuser würden so entlastet.
Spahn will Sanktionen gegen Impf-Vordrängler prüfen
Der Gesundheitsminister äußerte sich in der Pressekonferenz auch zu den Berichten, wonach in mindestens neun Bundesländern bereits Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden sind, die noch gar nicht an der Reihe waren. Dabei kamen etwa Kommunalpolitiker, Geistliche sowie Feuerwehrleute und Polizisten zum Zuge, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsgruppe angehören.
Solche Fälle seien kein gutes Beispiel von Solidarität, sagte Spahn. Der Gesundheitsminister will daher im Bundestag Sanktionen gegen Menschen prüfen lassen, die sich bei Impfungen gegen das neue Coronavirus unrechtmäßig vordrängeln. Das Infektionsschutzgesetz kenne bereits Sanktionen, angefangen bei Bußgeldern.
Eine bundesweit verbindliche Regelung, zum Beispiel zum Umgang mit Impf-Resten, gibt es bislang aber nicht. "Ich werde mit den Ländern darüber sprechen, ob wir das noch ein Stück verbindlicher regeln", ergänzte Spahn. So könne das Vorgehen in den Impfzentren noch genauer definiert werden. Zum Beispiel, wenn dort abends etwas Impfstoff übrig sei, wer dann dran wäre. Das könnten unter Umständen Feuerwehrleute oder Polizisten im Einsatz sein, die dann aber auch schnell verfügbar sein müssten.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat bereits Ungerechtigkeiten bei der Reihenfolge der Corona-Impfungen angemahnt und die Bestrafung von Vordränglern gefordert.