Die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen hat in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht: Binnen 24 Stunden gab es hierzulande 19.990 neue Infektionen mit Sars-CoV-2. Zwar flacht die Dynamik des Wachstums allmählich ab, doch von einer Entspannung der Situation kann nach wie vor keine Rede sein. Denn angesichts stark steigender Infektionszahlen und einer großen Anzahl von Tests warnen Labore nun vor einer Überlastung des Systems.
Die Testkapazität sei bundesweit erstmalig zu 100 Prozent ausgereizt, teilte der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin in einer öffentlichen Stellungnahme mit. In vielen Regionen liege dieser Wert bereits deutlich darüber. Insgesamt habe sich der Rückstau an PCR-Proben, mit denen eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen werden kann, seit der Kalenderwoche 42 (12. bis 18. Oktober 2020) nahezu verfünffacht, rechnet das Robert Koch-Institut in seinem aktuellen Lagebericht vor.
Konkret gaben 69 Labore einen Rückstau von insgesamt 98.931 abzuarbeitenden Proben an. 55 Labore nannten zudem Lieferschwierigkeiten für Reagenzien, "hierbei vermehrt PCR-Reagenzien, Plastikverbrauchsmaterialien und Pipettenspitzen", so das RKI.
Unentdeckte Infizierte sind großes Risiko
Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen gefährlich. Denn ein Rückstau von fast 100.000 abzuarbeitenden Proben bedeutet bei einer gegenwärtigen Positivenrate von rund 7,3 Prozent, dass etwa 7000 Fälle insgesamt - oder umgerechnet 1000 Fälle pro Tag - zumindest kurzzeitig nicht erkannt wurden. Eine Positivenrate von 7,3 Prozent ist der höchste Wert seit der ersten Aprilhälfte. Zum Vergleich: In Kalenderwoche 35 (bis 30. August) fielen noch rund 0,7 Prozent aller Proben positiv aus, in der Kalenderwoche 43 lag der Wert bei 5,51 Prozent.
Vereinzelt dauert es mitunter mehrere Tage, bis man ein Testergebnis erhält. So lange wollen einige Menschen nicht abgeschottet in Quarantäne auf ihr Laborergebnis warten, wodurch das Risiko steigt, dass sie als unentdeckte Infizierte weitere Menschen anstecken könnten. Zugleich bleibe durch den hohen Rückstau kein Puffer, um auf mögliche größere regionale Ausbrüche - wie etwa im Fall Tönnies im Juni - schnell reagieren zu können, heißt es weiter in der Stellungnahme.
Die aktuelle Situation in den Laboren hinterlasse "Frust und Symptome der Überlastung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", sagt Michael Müller, Erster Vorsitzender des Verbandes der Akkreditierten Labore in der Medizin. "Und auch bei den eingesetzten Geräten steigt durch die Dauerbeanspruchung die Anfälligkeit für Ausfälle und Reparaturen."

"Bei weiterer Überlastung wird es schwer, leistungsfähig zu bleiben"
Die "rote Ampel" sei längst überfahren worden, warnt Müller. "Das sind gefährliche und so nicht mehr akzeptable Zustände. Wie für die Kliniken bedarf es auch für fachärztliche Labore, die als kritische Infrastruktur für die Patientenversorgung wichtig sind, Mechanismen gegen solche Überlastungsszenarien." Denn: In den Laboren werden nicht nur die in der Corona-Pandemie wichtigen PCR-Tests ausgewertet, sondern finden auch alle anderen Untersuchungen statt, die für die allgemeine Versorgung der Bevölkerung essenziell sind. "Bei weiterer Überlastung wird es schwer, leistungsfähig zu bleiben."
In der vergangenen Woche wurden nach Angaben der 162 erfassten Labore insgesamt mehr als 1,4 Millionen PCR-Tests durchgeführt. Würde die Zahl der Tests nicht reduziert, drohe ein Kollaps der Versorgung. Immer mehr Expert*innen sprechen sich daher dafür aus, die nationale Test-Strategie anzupassen. Die Testkapazitäten sollten sich demnach vor allem auf besonders dringliche Fälle konzentrieren. Die Testung von Personen ohne Symptome sieht der Verband kritisch. Auch andere Ärzt*innen empfehlen, respiratorische Erkrankungen zur Test-Voraussetzung zu machen - dazu zählten etwa eine Bronchitis, Lungenentzündungen und Atemnot. Menschen mit harmlosen Erkältungssymptomen würden demnach keinen Corona-Test mehr bekommen.
Quelle: Lagebericht des RKI