Test-Nachweise zum Herunterladen Ein Hamburger Anwalt und seine fragwürdigen Corona-Zertifikate per Mausklick

Corona-Tests
Die Corona-Tests sind eine Säule in der Pandemie. 
© aprott / Getty Images
Es ist verboten, trotzdem floriert im Internet ein Service, der Nachweise von negativen Corona-Tests zum Herunterladen anbietet. Ausgedacht hat sich das ein promovierter Rechtsanwalt.

Kostenlose Corona-Test-Zertifikate per Mausklick – ein Service, den es so überhaupt nicht geben dürfte. Und dennoch existiert eine Website, die genau das offeriert: Testnachweise und Genesenenzertifikate zum Downloaden. Um die Dokumente zu bekommen, müssen Nutzer lediglich ein paar Fragen beantworten, beispielsweise bestätigen, dass sie zuhause einen Test gemacht haben und dieser negativ ausfiel. Das war's. Ein Angebot, das Tür und Angel für Missbrauch öffnet. Und obschon der Service inzwischen gerichtlich verboten wurde, vom Netz ist er noch nicht.

Ausgedacht hat sich das Ganze der promovierte Rechtsanwalt Can Ansay. Es ist nicht das erste Mal, dass der Hamburger im Gesundheitsbereich nach dem großen Erfolg fischt. Denn für Aufsehen sorgte der Mann bereits vor Jahren. Damals hatte er inspiriert von einem Symptomchecker im Internet seinen "Diagnose Taschenrechner" entwickelt und die Dr. Ansay AU-Schein GmbH gegründet, das war 2018. Es ist ein interessantes Geschäftsmodell. Für den Preis von 14 Euro verscherbelt er dort unter anderem Krankschreibungen, also Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Nutzer müssen dafür nur die Symptome anklicken, die sie vermeintlich haben und können dann die Dauer auswählen, die ihnen für ihre Krankschreibung vorschwebt. Ärztlich geprüft wird das nicht. Schon damals kritisierte die Ärztekammer das Vorgehen scharf.

Zehntausende täglich laden sich die Corona-Zertifikate herunter 

Im Gespräch mit der "ZEIT"  bezeichnete sich Ansay als einen Mann mit "krassen Lösungen". Seine neueste krasse Lösung: die kostenlosen Corona-Testzertifikate. "Eine krassere Verbesserung als mit meinem Verfahren hat es in der Geschichte nie gegeben – auch nicht durch die zwei größten deutschen Erfindungen, den Buchdruck und das Auto." Er spricht von 50.000 Menschen und mehr, die den Service nutzen – täglich. Dabei ist in Deutschland eigentlich festgelegt, dass ein zugelassener Corona-Test vom Leistungserbringer durchgeführt und überwacht werden muss. Wie kann das sein?

Diesmal ist die Mutter Ansays mit im Boot. Sie ist Frauenärztin in Rente und spielt in dem neuen Service eine entscheidende Rolle. Mit ihrer Unterschrift bestätigt sie auf den Zertifikaten laut Bericht, dass der Patient keine Symptome habe, nicht mit Sars-CoV.2 infiziert sei und einen "negativen Antigen-Test gemacht hat unter meiner fachärztlichen Überwachung meiner Arztpraxis". Doch ein persönlicher Kontakt hat, und genau das ist ja auch das Konzept des Services um die Selbsttests, nie stattgefunden. Ansay verweist auf den "smarten Fragebogen" als Kontrollinstanz. Also eben den, den die Nutzer selbstständig ausfüllen. Die zuständige Hamburger Sozialbehörde bemängelte das Vorgehen, die Zertifikate deckten sich nicht mit den geltenden Regelungen, schrieb die Wirtschaftswoche schon im November. Menschen, die ein falsches Zertifikat nutzen, müssten mit Bußgeldern in Höhe von 300 Euro rechnen. Wer Impf- und Testzertifikate fälscht, kann sich laut Bundesgesundheitsministerium eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren einhandeln. 

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Verboten, aber nicht vom Netz

Was ist Ansays Antrieb? Er selbst verkauft sich als Idealist, als ein Kämpfer für die Freiheit. Die Corona-Politik wird auf seiner Website harsch verurteilt, Ungeimpfte hingegen verteidigt. Und dann wäre da auch noch die Sache mit dem Geld. Die Zertifikate werden zwar freimütig kostenlos angeboten, Tatsache ist aber auch, dass Ärzte, die Tests durchführen und Zertifikate ausstellen, dies abrechnen können. Acht Euro gibt es dafür jeweils. Freilich, offiziell ist die Abrechnung nur für zugelassene Tests möglich. Hat Ansay auch hier wieder ein Schlupfloch gefunden? Bei 50.000 Corona-Testzertifikaten täglich ergäbe das ein erquickliches Sümmchen: 400.000 Euro am Tag, 2,8 Millionen Euro in der Woche, ... . Zuständig dafür ist die Kassenärztliche Vereinigung in Hamburg, die sich zu dem Fall laut "ZEIT" nicht äußern wollte und den Datenschutz anführt.

Die Richter des Landgerichts Hamburgs haben Ansays Treiben inzwischen mit einer einstweiligen Verfügung einen Riegel vorgeschoben. Anfang Dezember haben sie den Service in einer Eilentscheidung verboten. Macht er weiter, kann ihn das teuer zu stehen kommen. Ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro steht im Raum. Doch die Seite mit den dubiosen Zertifikaten, es gibt sie weiterhin –  mit einem Unternehmen mit Sitz in Pakistan als Betreiber und einem neuen Arzt als Unterzeichner. "Ich bin nicht mehr Betreiber der Seite, deshalb kann ich auch keine Verbote oder Bußgelder bekommen", so der Rechtsanwalt, der nicht beantworten wollte, ob er an dem anderen Unternehmen beteiligt ist. Und: mögliche Strafen scheinen den Mann, der derzeit an der Côte d'Azur weilt und dort das Leben genießt, ohnehin nicht groß zu jucken. "Glaubst du, Carl Benz hätte das Auto erfunden, wenn er das Kutschengesetz befolgt hätte?" 

tpo

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