Trotz Symptomen und Tirol-Urlaub Mein vergeblicher Kampf um einen Corona-Test

Eine Laborantin überprüft einen Corona-Test. Unsere Autorin kämpft seit Tagen darum, getestet zu werden. 
Eine Laborantin überprüft einen Corona-Test. Unsere Autorin kämpft seit Tagen darum, getestet zu werden. 
© Hans Klaus Techt / DPA
Immer wieder betonen Forscher, wie wichtig Tests in Verdachtsfällen sind, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Trotzdem kämpft unsere Autorin seit fünf Tagen darum getestet zu werden - vergeblich. Ein Erfahrungsbericht. 

"Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst." Diese eindringlichen Sätze richtet Angela Merkel an die Nation. Ein Appell an die Vernunft der Menschen in Deutschland, sich an die drastischen Maßnahmen zu Eindämmung des Coronavirus zu halten.

Schon allein die Tatsache, dass die Bundeskanzlerin sich direkt an das Volk wendet, macht klar: Die Lage ist tatsächlich ernst. Wenn das Robert-Koch-Institut vor bis zu zehn Millionen Corona-Erkrankten warnt, ist klar: Es kann schlimm kommen. Doch wie sieht es aus, wenn der Einzelne die Lage ernst nimmt, von den Behörden jedoch ignoriert wird?

Diese Erfahrung musste ich in den vergangenen Tagen selbst machen. Fünf Tage lange kämpfe ich nun bereits darum, einen Corona-Test machen zu können. Bislang vergeblich.

Von Bergidylle zum Risikogebiet

Am Montag kamen die ersten Symptome: leicht erhöhte Temperatur, Halskratzen. Eine einfache Erkältung, die ich mir wohl mal wieder in meinem Fitnessstudio, wo es öfter einen kalten Zug gibt, eingefangen habe, dachte ich zunächst. Am Abend kamen dann Husten, Kopfschmerzen und Übelkeit hinzu. Aber alles wäre immer noch halb so wild - wäre ich bloß eine Woche zuvor nicht in Tirol im Urlaub gewesen. 

Dort, wo ich noch Anfang März unbeschwert die Bergidylle genießen konnte, herrscht nun Ausnahmezustand. Tirol gilt als Corona-Risikogebiet. Eine Woche nachdem ich aus dem Urlaub zurückgekehrt bin, heißt es: Alle, die in den vergangenen 14 Tagen in Tirol waren, bitte zuhause bleiben! 

Hoffnungslos überlastet 

Für mich kommt die Aufforderung reichlich spät. Zu diesem Zeitpunkt bin ich bereits eine Woche lang seelenruhig ins Büro, zum Sport und zum Shopping durch halb Hamburg spaziert. Bis vor ein paar Tagen wusste ich nicht einmal, dass ich in einem Risikogebiet war. Und Anzeichen einer Krankheit hatte ich auch nicht - bis zum besagten Montag eben. 

Noch am gleichen Tag versuche ich, die zuständigen Behörden in Hamburg darüber in Kenntnis zu setzten. Schließlich werden alle, die Symptome aufweisen und sich kürzlich in einem Risikogebiet aufgehalten haben, aufgefordert, sich testen zu lassen. Getrieben von der Sorge, ich könnte womöglich das Virus bereits eine Woche lang unbemerkt mit mir getragen und auch verbreitet haben, wähle ich die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117. Wieder und wieder. Doch vergeblich. Außer einer elendig langen Tonbandansage bekomme ich nichts zu hören. Auch mein Hausarzt ist nicht zu erreichen.

Trügerische Beruhigung 

Erst am Dienstagabend komme ich bei der Hamburger Corona-Hotline durch. Hier nimmt man meine Daten auf und versichert mir, meinen Fall an das zuständige Gesundheitsamt weiterzuleiten. Dieses würde sich mit mir in Verbindung setzten und gegebenenfalls einen Test veranlassen. Dies könne aber dauern, warnt man mich vor. 

Beruhigt, dass mein Fall nun zumindest gemeldet ist, übe ich mich in Geduld. Um andere nicht zu gefährden, lege ich mir selbst eine Quarantäne auf. Auch wenn es für mich den vollständigen Verzicht auf jegliche Kontakte bedeutet. 

Aus Nervosität wird Frust 

Es vergeht Tag um Tag. Doch es herrscht Funkstille. Die Isolation zehrt an meinen Nerven. Da ich alleine lebe, bekomme ich tatsächlich tagelang keine einzige Seele zu Gesicht. Als Angela Merkel sich an die Nation wendet, schlägt die Nervosität in Frust um.

Angela Merkel zum Coronavirus
© bundesregierung.de / Commons
Merkels Ansprache zum Coronavirus: "Es ist ernst – nehmen Sie es auch ernst!"

Denn: Ich bin mir ja des Ernstes der Lage bewusst. Ich übernehme vorsorglich Verantwortung für meine Mitmenschen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine herkömmliche Grippe habe, viel höher ist, das Restrisiko für eine Corona-Infektion bleibt.

Doch es scheint niemanden zu interessieren, ob ich infiziert bin. Es scheint niemanden zu interessieren, ob ich das Virus womöglich eine Woche lang verbreitet habe. Es wird an meine Vernunft appelliert und Rücksicht eingefordert. Doch ich werde in dieser Situation allein gelassen. 

Der Kampf beginnt von vorne

Mit jedem Tag, den ich in Quarantäne verbringe, wird in meinem Kopf eine Frage lauter: Ist denn meine Vorsicht wirklich notwendig? Ich habe doch wahrlich eher die Grippe. Alles was mich davon abhält, zum nächsten Supermarkt zu laufen, ist meine Vernunft. Aber wie lange noch? Gewissheit würde helfen.

Doch darauf muss ich weiter verzichten. Eine Anfrage beim Gesundheitsamt zeigt: Mein Fall wurde gar nicht gemeldet. Warum ich bei der Corona-Hotline solch eine Auskunft bekommen habe, weiß man hier nicht zu sagen. Das Gesundheitsamt könne gar nicht darüber entscheiden, ob jemand getestet wird oder nicht, teilt mir eine Sprecherin mit. Ich soll es weiter beim ärztlichen Bereitschaftsdienst versuchen. Dies sei die einzige zuständige Stelle.

Also alles auf null. Wieder einmal wähle ich die 116 117. Wieder erklingt bloß die Tonbandansage. Wieder ist ein Test für mich nicht in Sicht. 

Neben der Ungewissheit bleibt die Frage: Kann die Pandemie gestoppt werden, wenn Verdachtsfälle nicht getestet werden? Am Freitag verhängt Bayern Ausgangsbeschränkungen. Aber was bringen solche Maßnahmen und Merkels dringlicher Appell, wenn niemand weiß, wer alles das Virus in die Welt trägt. 

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