Zuerst war es das Händewaschen. Als das Coronavirus nach und nach auf der ganzen Welt ausbrach, waren plötzlich überall Erklärungen zu finden, warum es nun so wichtig sei, sich gründlich die Hände zu waschen. Sogar Anleitungen zum richtigen Händewaschen gingen herum – der Akt ist nämlich gar nicht so profan wie man dachte, erst recht nicht in Zeiten einer Pandemie.
Das Händewaschen hat das Coronavirus nicht aufhalten können, aber wer weiß, wo wir heute stünden, würden wir nicht seit ein paar Wochen verstärkt darauf achten. Dennoch steigt die Zahl der Infizierten von Tag zu Tag sprunghaft. Am Montag meldete das Robert-Koch-Institut 1043 Fälle mehr als noch einen Tag zuvor. Längst sind wir in jener Phase angekommen, in der die Dimension der Verbreitung unser Denken zu übersteigen beginnt. Und das ist erst der Anfang. Die exponentielle Kurve schraubt sich immer weiter nach oben, wir schauen hilflos zu.
Wobei: Ganz so hilflos steht die Menschheit dem Virus nicht gegenüber. Es gibt Wege, sich und andere dagegen zu schützen, die Ansteckungsgeschwindigkeit zu verlangsamen und vielleicht sogar, das Virus auszutrocknen. Das Problem ist nur: Viele scheinen nichts davon zu wissen – oder sie handeln wissentlich dagegen.
Coronavirus: Es geht längst nicht mehr nur um die eigene Gesundheit
Nachdem das Händewaschen keinen ausreichenden Effekt gezeigt hat, gibt es drastischere Empfehlungen der Experten. Wissenschaftler weisen klar darauf hin, dass der derzeit vielversprechendste Weg, um Ansteckungen zu verhindern, der weitestgehende Verzicht auf soziale Kontakte ist. Deshalb werden von staatlicher Seite aus Veranstaltungen verboten und Schulen geschlossen. Deshalb müssen Menschen, die infiziert sind oder mit Infizierten in Kontakt waren, sich in Quarantäne begeben. Deshalb soll jeder Bürger, sofern möglich, zu Hause bleiben. So lässt sich das Ansteckungsrisiko zumindest reduzieren.
Dabei ist wichtig zu verstehen: Es geht schon lange nicht mehr nur um die eigene Gesundheit. Es geht noch nicht einmal um die Gesundheit der Personen, die man direkt trifft. Das Virus lässt sich nicht kontrollieren oder eingrenzen, mit jeder Person, die es in sich trägt und weitergibt, werden viele andere gefährdet. Wichtig ist in dieser Phase, das Tempo der Ansteckungen so weit wie möglich zu drosseln, damit nicht zu viele Personen zur gleichen Zeit krank werden und das Gesundheitssystem kollabiert.

Viele kennen mittlerweile dieses Bild der abgeflachten Kurve und die Empfehlungen der Ärzte, wie sich diese Abflachung erreichen lassen soll. Offenbar gibt es aber immer noch viele Menschen, denen der Ernst der Lage nicht klar ist. Einige von ihnen sind schlecht informiert, andere halten die Warnungen für überzogen. Aufklärungsarbeit ist bei beiden Gruppen wichtig. Man könnte auch sagen: überlebenswichtig.
Wer die Hintergründe kennt, muss sein Wissen weitergeben
Zwei Meter Abstand, kaum soziale Kontakte, geschlossene Bars und Clubs – das sind rigorose Maßnahmen, die viele erstaunen. Die Politik kann teilweise eingreifen und die Leute quasi zur Vernunft zwingen, im Privatleben ist aber meistens Eigenverantwortung gefragt. Wahrscheinlich hält sich nur derjenige an die Vorsichtsmaßnahmen, der ihren Sinn auch versteht. Wie wichtig es ist, die Ansteckungskurve abzuflachen, das Gesundheitssystem zu schützen und wie unglaublich schnell sich das Virus ausbreitet ist denen klar, die sich damit beschäftigen.
Informationen gibt es genug, und zwar solche, die auch jeder Nicht-Mediziner versteht: Podcasts, Animationen, Grafiken, Texte, praktische Tipps. Sie kommen nur leider in vielen Fällen nicht bei denen an, die tagsüber arbeiten und ihre freie Zeit mit Serien und Fernsehfilmen verbringen. Die Biergärten waren am Wochenende jedenfalls in vielen Städten noch gut gefüllt.
Die nächsten Wochen werden den meisten Menschen vieles abverlangen, und es ist verständlich, wenn sich nicht jeder hundertprozentig an die Empfehlungen halten will oder kann. Aber im Hinblick auf die alarmierende Situation verantwortungsvoll und vernünftig zu handeln, das sollte man doch erwarten können. Trotzdem scheint es Menschen zu geben, die die ganze Lage für einen Witz halten – wie sonst lässt sich erklären, dass das Robert-Koch-Institut auf einer offiziellen Pressekonferenz Feierwütige, die sogenannte Corona-Partys feiern, geradezu flehentlich bitten muss: "Bitte tun Sie das nicht"?

Deshalb ist in dieser Phase, in der noch eine Chance besteht, das Virus auf einigermaßen erträglichem Niveau einzudämmen, Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit so wertvoll. Das Wissen über das Coronavirus, seine Gefahren und seine Verbreitung muss sich auf die gleiche Weise und in dem gleichen Tempo verbreiten wie das Virus selbst: von Mensch zu Mensch.
Nicht umsonst spricht man in den sozialen Medien davon, dass Inhalte "viral gehen". Jeder, der die Hintergründe zum Coronavirus etwas besser kennt, ist ein Multiplikator, der hervorragende Argumente hat, um andere zu überzeugen – in der Familie, im Freundeskreis, auf der Arbeit. Bis auch die drastischeren Vorsichtsmaßnahmen gegen das Coronavirus so selbstverständlich und einleuchtend sind wie das Händewaschen. Auch das ist eine Form von Gemeinschaftssinn.