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Coronavirus in Deutschland Virologe Christian Drosten: "Ich würde kein gezapftes Bier mehr bestellen"

Coronavrius erklärt: Prof. Dr. Christian Drosten bei der Bundespressekonferenz in Berlin
Deutschland erwartet das letzte Wochenende, bevor landesweit die Schulen geschlossen werden. Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, erklärt, warum Hamsterkäufe sinnlos sind und warum man in der Kneipe kein Bier vom Fass mehr bestellen sollte. 

Schulen werden geschlossen, Grenzen dicht gemacht, Veranstaltungen abgesagt: Europa riegelt sich ab. Grund dafür sind die steigenden Fallzahlen von Infizierten mit dem Coronavirus. Die Maßnahmen erscheinen radikal, sind aber wirkungsvoll, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. “Ich finde es gut, auf welchen Kurs Deutschland einschwenkt”, sagt Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, in der aktuellen Ausgabe seines Podcasts “Das Coronavirus-Update”. 

Ihm sei bewusst, dass Schulschließungen Auswirkungen auf die Erwerbsbevölkerung, die Wirtschaft und essenzielle Strukturen wie Krankenhäuser haben. Allerdings verschaffen diese Maßnahmen den Akteuren auch wertvolle Zeit. “Ich glaube, es braucht ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken, ein paar Tage Ruhe und ein paar Tage die Möglichkeit, ohne Druck Entscheidungen zu treffen - und diese Zeit haben wir auch. Es ist besser, wenn die Politik Mitte bis Ende nächster Woche eine fundierte Entscheidung getroffen hat, die an die lokalen Begebenheiten angepasst ist.” Drosten rät auch, aufzuhören "ins Ausland zu schauen”, sondern den Blick mehr nach Deutschland zu richten und wie hier gehandelt werden kann. 

Nun, wo sich das Virus auch in Deutschland verbreitet, sei es an der Zeit, dass jeder über sein persönliches Verhalten nachdenke, erklärt der Wissenschaftler weiter. "Wir müssen uns aber nicht von heute auf morgen einschließen. Es muss ein gewisses normales Leben stattfinden." Mit einigen Vorkehrungen könne man das Infektions- und Verbreitungsrisiko jedoch eindämmen. In seinem Podcast spricht er über mehrere Themen, die breite Teile der Bevölkerung am Wochenende beschäftigen. Etwa ...

… Bars und Restaurants:

So solle man prüfen, ob man sich mit Freunden wirklich in der Kneipe treffen müsse, wo man im Laufe eines Abends mit mehreren Hundert Menschen in Kontakt komme oder ob man sich nicht lieber in den eigenen vier Wänden verabrede. Dass man die sozialen Kontakte vollständig einstellt, davon hält Drosten nichts: “Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand aus dem Freundeskreis infiziert ist, ist im Moment immer noch sehr sehr gering.”

Wer dennoch in Kneipen, Bars oder Restaurants gehen möchte, für den hat Drosten einen ganz pragmatischen Tipp parat: “Wenn ich in eine Kneipe gehe, bestelle ich immer Bier aus der Flasche, seit vielen Jahren. Denn die Biergläser werden - das wissen wir alle - mal durchs Wasser gezogen, aber wie viel Spülmittel da noch drin ist, das möchte man gar nicht so genau hinterfragen. Über diesen Weg wird mit Sicherheit das Virus übertragen." Sein Ratschlag: "Kein gezapftes Bier." 

Tag des deutschen Bieres – 23. April
Um die Chancen einer Ansteckung zu verringern, ist Flaschenbier dem vom Fass vorzuziehen.
© Instants / Getty Images

… Kulturveranstaltungen: 

Ob man Kulturveranstaltungen besuche - sofern diese noch stattfinden - müsse ebenfalls jeder für sich entscheiden. Selbstverständlich sollte man große Menschenansammlungen wenn möglich meiden, doch das soziale Leben muss andererseits auch weitergehen. "Wir haben in Deutschland noch nicht so eine Infektionsdichte, dass man überall hinter jeder Ecke einen Infizierten vermuten muss, der eigentlich schon Fieber hat, aber sich noch in die Öffentlichkeit schleppt. So ist es nicht."

… Kinderveranstaltungen:

Beim Jugend-Sportturnier oder beim Fußballtraining können schnell mehrere Hundert Kinder an einem Ort versammelt sein, dazu noch die Erwachsenen. "Man sollte mit dem Verein besprechen, wie man damit umgeht. Man kann ja nicht nur von Behörden und der Politik erwarten, dass gesagt wird, welche Veranstaltungen abgesagt werden."

… Treffen in geschlossenen Räumen:

"Dieses Virus ist kein Virus, das mit Fließschnupfenerkrankungen einhergeht. Es sitzt eher im Hals und wird in der späteren Phase ausgehustet. Dagegen hilft am besten der Aufenthalt im Freien." Deshalb sei es eine sehr gute Idee, jetzt ins Freie zu gehen und nicht in der Kneipe oder im Restaurant zu sitzen, führt Drosten aus. Denn diese Coronaviren sind nur für eine ganz kurze Zeit - ein paar Minuten - in der Luft und fallen dann zu Boden. Wer die Wahl hat, sollte deshalb an die frische Luft gehen.

Birgit Schlerith ist an Covid-19 erkrankt. Wegen des neuartigen Coronavirus steht sie mit ihrer Familie unter Quarantäne.

… den Wocheneinkauf:

Wochenende bedeutet in vielen Familien: einkaufen. Doch sollte man angesichts von meterlangen Schlangen lieber zuhause bleiben und im Netz bestellen? "Nein, ich bestelle meine Lebensmittel nicht beim Lieferdienst und verstopfe die Straßen. Natürlich kann man jetzt noch in den Supermarkt einkaufen gehen und es ist kompletter Unsinn, sich mit irgendetwas einzudecken, das nicht verderblich ist. Die Lager sind voll. Und es gibt überhaupt keinen Bann auf Lebensmittellieferungen. Es gibt keinen Grund, diese Hamsterkäufe zu machen."

Drosten spricht auch darüber, wer eigentlich Risikogruppe bei Covid-19 sei, der Lungenkrankheit, die durch das Coronavirus ausgelöst werde. Meist gehe es ausschließlich um Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes oder Asthma. Eine häufig unterschätzte Komponente sei das Kreislaufsystem. "Wer sportlich trainiert ist, dessen Herz wird Kreislaufbeschwerden problemlos ein paar Tage mitmachen. Wer aber schon beim Treppensteigen außer Atem gerät, für den wird das schwieriger. Das kann auch 40-Jährige betreffen."

Quelle: Podcast "Coronavirus-Update" mit Christian Drosten bei NDR Info"

cf

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