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Experte zu Skihelmen "Die Leute wähnen sich in falscher Sicherheit"

Die Normen, an die sich Hersteller von Skihelmen halten müssen, sind zu gering, kritisiert ein Experte.
Die Normen, an die sich Hersteller von Skihelmen halten müssen, sind zu gering, kritisiert ein Experte.
© Colourbox.de
Trotz Skihelm erlitt Michael Schumacher eine schwere Kopfverletzung. Den Experten für Ski- und Snowboardhelme Thomas Manek wundert das nicht: Die Helme müssen weiterentwickelt werden, fordert er.

Herr Manek, Michael Schumacher war nicht schnell, als er stürzte, aber sein Helm konnte seinen Kopf kaum schützen.
Das wundert mich nicht. Die meisten Ski- und Snowboard-Helme sind nicht wirklich für so ein Unfallgeschehen auf der Piste ausgelegt.

Warum nicht?
Die Normen, an die sich die Hersteller halten müssen, stellen dafür zu geringe Anforderungen. Zum Beispiel werden die Helme einem senkrechten Aufprall aus 1,50 m Höhe ausgesetzt, das entspricht einer Geschwindigkeit von 20 km/h. Auf der Piste hat man aber mit lockerem Schwung schon schnell mal 50, 60 km/h drauf und bei einer Schussfahrt das Doppelte. Das heißt, der Helm kann schon nicht mehr zuverlässig gegen alle Unfallsituationen schützen. Und das gilt schon für Stürze auf ebene Erde. Wenn da ein spitzer Stein liegt, ist der Kopfschutz fast keiner mehr: Denn "durchdringungsfest", wie wir sagen, brauchen die Helme nur bis zu einer Fallhöhe von höchstens 75 Zentimeter sein.

Thomas Manek

Der Ingenieur von der österreichischen Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt AUVA ist internationaler Experte für Ski- und Snowboard-Helme. Er testete sie auch für die Stiftung Warentest. Manek sitzt im "European Committee for Standardisation" und in der ISO-Arbeitsgruppe für Schutzausrüstung.

Wie kommen denn solche Normen zustande?
Ich arbeite für das Europäische Komitee für Standardisierung und in der ISO-Arbeitsgruppe für Schutzausrüstung. In diesen Kommissionen stoßen die Interessen der 28 Mitgliedsstaaten und auch der Hersteller aufeinander. Immer wieder habe ich erlebt, dass in dieser Diskussion Helm-Konzepte, die den Anforderungen der Piste besser entsprechen würden, auf Kompromisse auf kleinstem gemeinsamen Nenner zusammenschrumpfen.

Also könnte es viel bessere Sicherheitsstandards geben?
Ja. Da ließe sich viel erreichen. Vor allem der Innenhelm ist noch verbesserungsfähig. Darin könnten zusätzliche Schichten von Dämpfungsmaterialien verbaut werden, die den Stoß je nach der Stelle des Aufpralls abfedern. Ausgerechnet von so einem Kopfschutz, wie ihn Schuhmacher in der Formel 1 getragen hat, könnte man sich viel abschauen: da hat jede Schicht eine eigene Funktion. Allerdings würden die Kosten für solche Helme dann extrem steigen und das Aussehen der Helme stark verändern. Die Hersteller müssten viel Geld in die Entwicklung von High-Tech-Stoffen stecken und in die Neukonzeption des Helm-Aufbaus. Wer da Vorreiter sein will, wird seine Helme kaum unter 500 bis 1000 Euro anbieten können. Unter dem wirtschaftlichen Druck scheuen das bislang noch alle Fabrikanten. Um es wirklich besser zu machen, müssten wir die Norm anpassen, sonst tut sich zu wenig.

Bislang weiß ja auch kaum jemand von den Mängeln.
Das stimmt, die Leute wähnen sich in falscher Sicherheit. Damit es keine Missverständnisse gibt: Es ist immer besser, einen Helm zu tragen, als keinen zu tragen. Ohne Helm wäre Schumacher sofort gestorben. Und viele andere Unfallopfer auch. Allerdings darf der Helm nicht dazu verführen, riskanter zu fahren. Das ist leider oft der Fall, viele Fahrer glauben ja, sie könnten sich mit Helm jetzt erst so richtig austoben. Das ist ein Trugschluss, der lebensgefährlich sein kann.

Erste Hilfe für Schumacher: Die Rekonstruktion der dramatischen Stunden nach dem Sturz

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Interview: Katharina Kluin

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