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Aktive Sterbehilfe Der lebensmüde 104-Jährige, der aus dem Leben schied und friedlich verschwand

David Goodall: Der lebensmüde 104-Jährige, der aus dem Leben schied und friedlich verschwand
Der 104-jährige Australier David Goodall ist in die Schweiz gereist, um Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen
© Sean Gallup
Australiens ältester Wissenschaftler David Goodall nahm in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch und ist im Alter von 104 Jahren gestorben. Seinen letzten Atemzug habe er friedlich getan - zu Beethovens 9. Symphonie.

Der 104 Jahre alte Australier David Goodall ist tot. Der Wissenschaftler habe am Donnerstag im Beisein mehrerer Enkelkinder eine tödliche Infusion erhalten und sei kurze Zeit später gestorben, teilte ein Sprecher der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit mit. "Er war ruhig und gelassen. Er wollte, dass alles so schnell wie möglich geht", sagte der Sprecher weiter. Begleitend zur Infusion sei auf den Wunsch des Sterbenden die 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven aufgelegt worden.

Goodall sei "friedlich" eingeschlafen, schrieb der Exit-International-Gründer Philip Nitschke im Kurzbotschaftendienst Twitter. Seine Stiftung hatte Goodall bei seinem Wunsch unterstützt, sein Leben mit medizinischer Hilfe zu beenden. Der 104-Jährige wollte wegen seiner Altersgebrechen nicht mehr länger leben und war in die Schweiz gereist, wo Sterbehilfe erlaubt ist. Mit seinem Schritt wollte er auch in anderen Ländern die Diskussion um die Art eines würdevollen Abschieds vom Leben anstoßen.

David Goodall und das Ende (s)einer langen Reise

Seine letzten Tage verbrachte der im Rollstuhl sitzende Botanikprofessor mit Verwandten. Seine Familie verstehe seinen Entschluss, sagte Goodall bei einer Pressekonferenz einen Tag vor seinem Tod. Der Forscher war seit 20 Jahren Mitglied einer Sterbehilfeorganisation. Während in Deutschland Sterbehilfe verboten ist, gibt es in der Schweiz etwa zehn Vereine, die Sterbebegleiter stellen.

Aktive Sterbehilfe, die sogenannte Tötung auf Verlangen, ist in Goodalls Heimatland Australien verboten. Ab Juni 2019 wird Sterbehilfe im Bundesstaat Victoria legalisiert, allerdings nur für unheilbar kranke Menschen, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind und nur noch weniger als sechs Monate zu leben haben. Goodall war nicht unheilbar krank. Er klagte jedoch über einen fortschreitenden Verlust an Lebensqualität und kritisierte, dass sein Heimatland es ihm nicht ermögliche, nun zu Hause zu sterben.

Ende April hatte Goodall sich deswegen auf die weite Reise nach Europa gemacht. Dort verbrachte er zunächst ein paar Tage mit Angehörigen in der südfranzösischen Stadt Bordeaux. Danach reiste er in die Schweiz, um dort beim Sterbehilfeverein Lifecircle in Basel sein Leben zu beenden.

Für die Anhänger der Sterbehilfe war der Fall Goodall noch einmal Gelegenheit, für ihr Anliegen zu werben. Ein Sprecher der Organisation Lifecircle sagte, "wir können stolz sein, diese Möglichkeit in der Schweiz zu haben, um einen würdevollen Abschied zu ermöglichen". Laut Exit wollte Goodall, dass seine Asche verstreut wird. Er wolle kein Begräbnis oder irgendeine Zeremonie, so die Sterbehilfeorganisation. Der 104-Jährige glaube nicht an ein Leben nach dem Tod.

"Ich bedauere es sehr, dieses Alter erreicht zu haben."

Bei seiner letzten Pressekonferenz am Mittwoch in Basel schien sich Goodall auf seinen Tod zu freuen. "Ich bin froh, morgen die Chance zu haben, es zu Ende zu bringen", sagte er vor den Journalisten und dankte der Schweizer Ärzteschaft. "Ich will nicht mehr länger leben. Ich verliere mein Augenlicht und mein Gehör", erklärte der Botanikprofessor seine Beweggründe. Goodall wirkte geistig völlig klar. Die letzten Tage habe er mit Verwandten verbracht, sagte der Forscher. Niemand aus seiner Familie habe ihn abhalten wollen, sagte Goodall. Über seine letzte Mahlzeit habe er sich wenig Gedanken gemacht. Er könne Essen ohnehin nicht mehr genießen.

Mit 102 Jahren ging es dem Wissenschaftler nach eigenem Bekunden noch recht gut. Er verteidigte sogar seinen Arbeitsplatz an der Universität Perth in Westaustralien. Doch dann ging es gesundheitlich bergab. "Ich will sterben", sagte er an seinem 104. Geburtstag Anfang April. "Ich bedauere es sehr, dieses Alter erreicht zu haben." Was er vermissen werde, wollte ein Reporter wissen. Die Ausflüge ins Landesinnere Australiens, antwortete Goodall. Aber das sei ihm ohnehin schon lange nicht mehr möglich gewesen.

Goodall hatte an der Edith Cowan Universität in Westaustralien gearbeitet. 2016 war er weltweit bekannt geworden, als ihn seine Universität im Alter von 102 Jahren endgültig in den Ruhestand schicken wollte - obwohl er seit seiner offiziellen Pensionierung unentgeldlich arbeitete. Nach Protesten und Solidaritätsbekundungen von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt nahm die Universität die Entscheidung zurück.

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0800/1110111 und 0800/1110222 erreichbar. Auch eine Beratung per E-Mail ist möglich.

Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. 

fs DPA AFP

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