Wie schön, dass Sie sich Zeit nehmen zum Lesen. Wir haben uns viel Mühe gegeben mit den Geschichten, und einiges ist doch ganz nützlich. Klar, statt uns zu lesen, könnten Sie auch Ihren Keller aufräumen, die überteuerte Haftpflichtversicherung kündigen oder anderen nützlichen Kram erledigen. Sie haben aber keine Lust. Sie schieben auf. Wir verstehen das, total.
John Perry versteht das auch, als fröhlicher Aufschieber hat er es zum Philosophieprofessor an der kalifornischen Stanford University gebracht und ein Buch darüber geschrieben. Es heißt "Einfach liegen lassen. Das kleine Buch vom effektiven Arbeiten durch gezieltes Nichtstun". Natürlich stecken wir alle in der Bredouille, irgendwann müssen die Sachen ja gemacht werden. So gesehen ist das Prokrastinieren nicht klug.
"Prokrastination" kommt vom lateinischen pro cras, also "für morgen", früher nannte man das Aufschieberitis, ein doofes Wort, denn das Suffix -itis verwendet man in der Medizin bei entzündlichen Vorgängen wie der Gastritis, einer Entzündung der Magenschleimhaut. Aufschieberitis klingt, als würde es terminlich gerade brennen, aber John Perry bewahrt einen kühlen Kopf und lacht sich eins.
Oft ist Mittelprächtiges vollkommen ausreichend
"Einfach liegen lassen" ist ein brillanter Selbsttest zum Blättern: Das Buch ist das, was Leser in ihm sehen, dem einen ist's ein bunter Strauß an Ratschlägen, dem nächsten großer Spaß, ein bisschen wie Loriot für Leute mit ausgeprägter Entschlussschwäche. Perry hat für sein Buch 2012 den Satirepreis der Harvard University bekommen, und wie jede gute Satire enthält auch diese einen harten Kern.
Sollte man sich wirklich einen runden Tisch mit einer Drehplatte darauf schreinern lassen, weil man mit Aktenordnern nicht klarkommt und alles nebeneinander ausbreitet? "Für mein Büro würde eine Platte von vier Meter Durchmesser genügen", sagt Perry. "Man könnte sie in Tortenstücke unterteilen und jedem Tortenstück einen Buchstaben des Alphabets zuweisen." Andere Ratschläge klingen ganz plausibel, nehmen wir nur die Frage nach Ansprüchen an uns selbst: Perry sagt, dass viele Menschen eine Aufgabe vor sich herschieben, weil sie Spitzenleistungen von sich erwarten, das hemmt natürlich. "Wäre hier wirklich nur das Beste gut genug?", fragt er. "Oft genug wird die Antwort lauten, dass auch Mittelprächtiges vollkommen ausreicht und man Besseres ohnehin nicht zustande bringen würde."
Bewusst Grenzen setzen
Und nur durchs Internet zu klicken, wenn man sicher sein kann, dass die nächste Störung in Kürze zu erwarten ist, sodass man im World Wide Web nicht stundenlang herumhängt - das ist auch eine gute Idee. "Ich logge mich nur noch ein, wenn ich Hunger habe, wenn ich ziemlich sicher bin, dass meine Frau mich in Kürze unterbricht, weil sie Dringendes erledigt haben will. Oder wenn ich die ersten Anzeichen einer vollen Blase spüre", sagt Perry. Seine Frau wird sicher gern lesen, dass er ihre Wünsche mit der gleichen Freude wahrnimmt wie Hunger und Harndrang.
Obwohl, wer weiß, was seine Frau den ganzen Tag macht. Vielleicht sind ihre Anliegen ja deshalb dringend, weil sie sich nicht schon früher darum gekümmert hat.