Hafenärzte Gefährlichen Passagieren auf der Spur

Tausende Schiffe laufen jährlich in den Hamburger Hafen ein. An Bord haben sie nicht nur die erwarteten Waren, sondern häufig auch ungebetene Gäste: Viren, Parasiten - Krankheitserreger. Die Hafenärzte leisten Detektivarbeit, um die gefährlichen Winzlinge rechtzeitig aufzuspüren.

Die Ärztin Clara Schlaich klettert mit ihren drei großen Taschen vorsichtig die etwa 20 Meter lange und steile Metallleiter an der Backbord-Seite des Containerschiffes nach oben. Mit Dieselluft in der Nase und Hafenwind im kurzen braunen Haar wird sie von zwei Griechen in orangefarbenen Overalls empfangen. Die Medizinerin soll auf dem im Hamburger Hafen liegenden griechischen Schiff "Cosco Ningbo" einen Seemann gegen Gelbfieber impfen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen, Hafeninspektor Ulf-Peter Hüsing, will sie gleichzeitig das riesige Schiff genauer unter die Lupe nehmen, um Hygiene und Gesundheit an Bord zu checken. Infektionen und Seuchen in den Häfen und in den Flughäfen vermeiden oder eindämmen - das ist die Aufgabe des Hafenärztlichen Dienstes.

Stichprobenartig untersuchen die 41-Jährige und ihre Kollegen einen Teil der rund 13.000 Schiffe, die jährlich in den Hamburger Hafen einlaufen - kein leichtes Unterfangen. "Wir konzentrieren uns daher meist auf Schiffe, die aus Infektionsgebieten wie Westafrika kommen", sagt Schlaich, die neben ihrer Funktion als Amtsärztin auch Leiterin des Hafenärztlichen Dienstes ist. Fünf Ärzte und zehn Inspektoren prüfen im Verlauf des Jahres rund 2200 Schiffe - vom Tanker, über das Container- bis hin zum Kreuzfahrtschiff.

Erst wenn alles sauber ist, gibt es ein Zertifikat

"Wir suchen allerdings nicht nur nach Keimen. Wenn alles im grünen Bereich ist, stellen wir auch Zertifikate aus", erklärt Umwelttechniker Hüsing an Bord des griechischen Schiffes. Diese Bescheinigungen müssen alle Schiffskapitäne regelmäßig nachweisen. So besagen es die internationalen Gesundheitsvereinbarungen. Während die stresserprobte Ärztin im Schiffshospital den Seemann impft und die kleine Apotheke kontrolliert, macht sich Hüsing auf den Weg in die Küche. Mit einem Gummihandschuh fährt er die Oberseite der Metallplatten an der Decke ab und nickt zufrieden. "Alles sauber." Auch der Blick in den Kühlschrank und die Küchenschränke fällt positiv aus. Lediglich im Kühlhaus findet der Bakteriendetektiv ein wenig Staub und zu warme Temperaturen.

Bei einem möglichen Seuchen- oder Infektionsverdacht hätten Schlaich und Hüsing sofort reagieren müssen. "Erst im März hatten wir Legionellen an Bord eines uralten Schleppers", erinnert sich die Fachärztin für Innere Medizin. Das Schiff wurde im Hafen festgehalten. Denn Legionellen sind Bakterien, die schwere Lungenentzündungen hervorrufen können. Es durfte erst weiterfahren, nachdem die akute Gefahr beseitigt war. Wegen einer großen Seuche - der Cholera-Epidemie von 1892 - wurde der Hafenärztliche Dienst Ende des 19. Jahrhunderts gegründet.

Forderung nach einem Kompetenzzentrum

In Deutschland hat jeder Hafen einen eigenen Hafenärztlichen Dienst. Der Verband deutscher Reeder weiß diese Angebote zu schätzen. Gleichzeitig fordert er ein Kompetenzzentrum für Deutschland. Ohne die föderale Zersplitterung könnten die Hafen-Mediziner "zusammen auf Weltniveau arbeiten", sagt ein Verbandssprecher.

Nach knapp zwei Stunden akribischer Suche nach Krankheitserregern gibt Hüsing die Suche auf. Auf der griechischen "Cosco Ningbo" läuft alles vorbildlich. Auch der Kapitän ist erleichtert. Er lädt den hochgewachsenen Familienvater mit dem schütteren Haar zum Mittagessen ein. "Ein Essen ist erlaubt, alles andere wäre Bestechung", kommentiert seine Chefin Schlaich dieses seltene Angebot mit einem Augenzwinkern.

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Christiane Gläser, DPA

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