Antrittsbesuch in Peking Warum Scholz' China-Reise schon im Vorfeld für Verstimmungen sorgt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
© Carsten Koall / AFP
Bundeskanzler Olaf Scholz reist in dieser Woche nach China. Der Antrittsbesuch ist aus mehreren Gründen besonders – und wird schon im Vorfeld kritisch begleitet.

Olaf Scholz geht voran, meint Olaf Scholz, indem er auch mal eine andere Richtung als die anderen einschlägt. "Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich", entgegnete er einmal den "Jungs und Mädels" in den Ampel-Parteien, die seine Zurückhaltung bezüglich der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine beanstandet hatten. Seinerzeit wurde der Kanzler für seinen Kurs in die Mangel genommen, ebenso für seine empfindliche Reaktion auf die formulierte Kritik.

Auch dieses Mal schlägt der Kanzler einen Weg ein, der mindestens für Unbehagen sorgt. Scholz wird an diesem Freitag zu einem eintätigen Antrittsbesuch in China erwartet. Der Kanzler, der im Beisein einer Wirtschaftsdelegation anreist, wird damit als erster westlicher Regierungschef seit Beginn der Corona-Pandemie in Peking empfangen.  

"Ich finde den Zeitpunkt dieser Reise äußerst unglücklich"

Auf dem Programm steht ein Treffen zwischen Scholz und Staatspräsident Xi Jinping, der sich vor Kurzem seine Macht zementieren ließ. Im Anschluss sollen auch Scholz und Ministerpräsident Li Keqiang zusammenkommen. In den Gesprächen werde es "um die gesamte Bandbreite unserer Beziehungen zu China" gehen, heißt es im Terminkalender von Scholz, aber auch um internationale Themen, darunter die Bekämpfung des Klimawandels und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Viel Zeit bleibt dafür indes nicht. "Es ist aufgrund des dortigen Corona-Regimes sehr kompliziert, deswegen ist die Reise auch sehr kurz", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Eine Übernachtung sei nicht geplant, es sei "tatsächlich ein Tagesausflug".

Dennoch ist auch dem kurzen Besuch große Aufmerksamkeit gewiss. Schon im Vorfeld werden kritische Worte über die Reise geäußert – und Erwartungen an den Kanzler adressiert:

  • "Ich finde den Zeitpunkt dieser Reise äußerst unglücklich", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Montag den Sendern RTL und n-tv. Djir-Sarai verwies in diesem Zusammenhang auf die Debatte um den Einstieg eines chinesischen Staatskonzerns im Hamburger Hafen. Deutschland dürfe "nie wieder wirtschaftlich abhängig sein von einem autokratischen Staat", mahnte der FDP-Generalsekretär. "China ist ein wichtiger Handelspartner aber auch ein systemischer Rivale – darüber sollten sich alle im Klaren sein, die das Wort Zeitenwende in den Mund nehmen."
  • Auch Friedrich März hält das Timing des Besuchs für verfehlt. "Der Besuch des deutschen Bundeskanzlers und noch amtierenden Präsidenten der G7-Staaten unmittelbar nach dem 20. Parteitag der KP Chinas wird in China hoch willkommen sein", schrieb der Unionsfraktionschef in einem aktuellen Gastbeitrag für "Table.Media". Er befürchtet einen "Propagandaerfolg" für die Staatsführung, zumal Scholz die Genehmigung des Cosco-Einstiegs in Hamburg im Gepäck mitbringe. 

Wie abhängig darf sich Deutschland von anderen Staaten machen? Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat diese Frage zwingend aufgeworfen. Wiederholen sollen sich die Fehler der Russland-Politik jedenfalls nicht, darüber herrscht breite Einigkeit. Was das allerdings für die Zusammenarbeit mit dem ebenso autoritär regierten China zu bedeuten hat, ist offenbar umstritten.  

  • Vergangene Woche hatte Scholz gegen die Einwände mehrerer Ministerien eine Einigung durchgeboxt, wonach dem chinesischen Staatskonzern Cosco eine Teilbeteiligung an einem Containerterminalbetreiber im Hamburger Hafen erlaubt wird. Das Vorhaben wurde zwar vom Bundeskabinett gebilligt, doch meldeten mehrere Ressorts formell schwere Bedenken an (mehr dazu lesen Sie hier).
  • Nun warnen Experten erneut davor, zu viel Industrie ins Ausland zu verkaufen: Mit dem Dortmunder Halbleiter-Hersteller Elmos steht der Verkauf eines deutschen Unternehmens an, wieder bietet sich China als Käufer an. Und wieder ist die Bundesregierung geneigt, dem zuzustimmen

Hohe Erwartungen an Olaf Scholz vor China-Reise

Die Sorge wächst, dass sich die Abhängigkeiten Deutschlands von der Volksrepublik noch weiter erhöhen könnten. Unter diesem Eindruck werden Forderungen an den Bundeskanzler laut, dass er bei seinem China-Besuch zentrale Botschaften wie die Bedeutung von Menschenrechten, internationalem Recht und fairen Wettbewerbsbedingungen übermitteln solle: 

  • "Der Bundeskanzler hat den Zeitpunkt seiner Reise entschieden", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstag. "Jetzt ist entscheidend, die Botschaften, die wir gemeinsam festgelegt haben im Koalitionsvertrag (…) auch in China deutlich zu machen." Entscheidend sei, Peking deutlich zu machen, "dass die Frage von fairen Wettbewerbsbedingungen, dass die Frage von Menschenrechten und die Frage der Anerkennung des internationalen Rechts unsere Grundlage der internationalen Kooperation ist". 
  • Der Kanzler müsse seinen Besuch in Peking nutzen, um Xi Jinping "mit deutschen und europäischen Interessen zu konfrontieren", fordert Thorsten Benner, Direktor des Think Tanks "Global Public Policy Institute" in Berlin. "Scholz sollte deutlich machen, dass Peking einen politischen Preis dafür zahlt, dass es Putin weiterhin zur Seite steht, auch wenn er mit einem Atomkrieg droht", so Benner in einem Beitrag für das renommierte Fachblatt "Foreign Policy". Auch sollte Scholz "klar signalisieren, dass Pekings zunehmend aggressive Haltung gegenüber Taiwan inakzeptabel" sei, sich "klar gegen die Unterdrückung in Tibet, Xinjiang und Hongkong aussprechen" und "die europäische Bereitschaft signalisieren, mit China in der Klimakrise zusammenzuarbeiten".

Tatsächlich könnte sich dem Kanzler auf seinem Besuch durchaus Handlungsspielraum bieten, analysiert "Table.Media": Deutschland sei für Peking einer der wenigen verbliebenen Gesprächspartner im Westen, darüber hinaus lägen der Klimaschutz und ein Ende des Ukraine-Krieges im gemeinsamen Interesse. Diese Gemengelage könne Scholz demnach nützlich sein.

Das ist die Lage, nur wenige Tage vor dem China-Besuch. Der innenpolitische Druck auf Scholz ist groß und hat sich im Zuge des umstrittenen Hafen-Deals nochmals erhöht. Der Kanzler wird in Peking etwas bewegen müssen, um der Kritik etwas entgegenzusetzen. 

Quellen:  "Table.Media", "Foreign Policy", RTL/ntv, mit Material der Nachrichtenagentur DPA