Herz-Kreislauf-Stillstand Wie gefährlich sind Dauerläufe?

"Todesfall überschattet Bonn-Marathon" hieß es im vergangenen Jahr. In Stuttgart starben zwei Teilnehmer eines Halbmarathons. Die Diagnose lautete in allen Fällen: plötzlicher Herz-Kreislauf-Stillstand.

Doch so spektakulär die Todesfälle auch waren, die Norm sind sie nicht. "Bei organisierten Läufen stirbt von 50.000 bis 90.000 Teilnehmern ein einziger", berichtet der Berliner Sportmediziner Lars Brechtel in der Juni-Ausgabe des Magazins "bild der wissenschaft". Doch warum fordert eine Sportart, deren positive Wirkung auf Herz, Kreislauf, Knochen und den allgemeinen Gesundheitszustand mehr als einmal belegt wurde, überhaupt Menschenleben?

Gefäßprobleme betreffen immer mehr jüngere Menschen

Diese Frage können auch Sportmediziner bislang nur zum Teil beantworten. Derzeit gelten drei Szenarien als gesichert. Nummer eins: Die Betroffenen glauben zwar von sich, vollkommen gesund zu sein, haben jedoch bislang verborgen gebliebene Herzprobleme. "Ein gesundes Herz kann man nicht überfordern. Eher machen die anderen Muskeln im Körper schlapp. Damit hat man so etwas wie einen Sicherheitsabstand", stellt auch Albert Fromme, Sportmediziner an der Universität Münster, klar.

Anders sieht es aus, wenn die Gefäße rund um das Herz bereits verengt sind - ein Problem, das mittlerweile immer mehr jüngere Menschen betrifft und das sich im normalen Alltag nicht bemerkbar macht. In einem solchen Fall sollten beim Sport je nach Ausprägung der Schädigung bestimmte Herzfrequenzen nicht überschritten werden, empfiehlt Fromme. Festgestellt werden solche Schäden in einer sportmedizinischen Untersuchung, in der auch ein Belastungs-EKG durchgeführt wird. Allerdings sollte man dabei darauf achten, dass der Arzt während der Untersuchung tatsächlich eine starke körperliche Leistung fordert - sonst besteht die Gefahr, dass die Gefäßprobleme übersehen werden.

Überraschende Ursache für Läufer und Experten

Der zweite Risikofaktor sind Infektionen. Selbst an sich harmlose Atemwegsinfekte belasten das Herz und können zu Rhythmusstörungen oder eben auch zum plötzlichen Herztod führen. "Es gibt genug Beispiele von jungen Sportlern, die plötzlich sterben - und bei denen sich später als Ursache eine Infektion herausstellte", sagt Fromme. Wenn man sich etwa bei einem grippalen Infekt richtig schlecht fühlt, sollte man sich konsequent ins Bett legen und nicht zur Arbeit und schon gar nicht zum Training gehen.

Die dritte Ursache für die plötzlichen Todesfälle bei Marathonläufen wurde erst im vergangenen Jahr entdeckt - und überraschte Läufer wie Experten: Wer während des Laufs zu viel Wasser trinkt, gerät ebenfalls in Lebensgefahr, konnten Wissenschaftler von der Harvard-Universität nachweisen. Bis dahin galt die Devise, dass man beim Sport gar nicht genug trinken kann. Doch als die Forscher nach einem Marathon in Boston das Blut von fast 500 Läufern untersuchten, fanden sie bei mehr als 60 von ihnen ungewöhnlich geringe Kochsalzwerte, bei dreien waren diese bereits im kritischen Bereich.

Salzgleichgewicht kann nicht gehalten werden

Zurückführen lassen sich diese Probleme auf den Mechanismus, mit dem der Körper den Wasser- und Salzhaushalt reguliert. Durch das Schwitzen beim Laufen verliert der Organismus sowohl Wasser wie Salze, bekommt beim Wassertrinken aber lediglich Wasser zurück. Ist die Wasserzufuhr zu groß, hat das fatale Folgen: Um das Salzgleichgewicht wieder auszugleichen, nehmen die Körperzellen Wasser aus dem Blut auf und schwellen dabei an - wie ein Brühwürstchen, das zu lange im Wasser liegt.

Das passiert nicht nur in den Beinen, wo die Schwellungen keine schlimmen Konsequenzen haben, sondern auch in allen anderen Geweben und Organen. Trifft es das Gehirn, drohen Schwindel, Unwohlsein und schließlich der Zusammenbruch, berichtet "bild der wissenschaft". Während des Marathons sollte man also nicht nur Wasser, sondern auch Salz zuführen und dabei eher einen kurzfristigen Wassermangel als einen Wasserüberschuss in Kauf nehmen - denn damit kommt der Körper weit besser zurecht, sagen Sportmediziner.

Keine Angst vor dem Laufen

Angst vor dem Laufen sollte man jedoch auf keinen Fall entwickeln. Im Gegenteil: Laufen hilft, Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen und verzögert Altersbeschwerden wie Arthrose. Auch scheint es neueren Ergebnissen zufolge den Verlust der Knochendichte in den Wechseljahren zu verhindern. Es kann sogar das Leben verlängern, zeigen mehrere Studien - vorausgesetzt, man vermeidet die Risikofaktoren.

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DDP, Thomas Willke

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