"Wann ist ein Mann ein Mann?", fragte schon einst Herbert Grönemeyer in seinem Song "Männer". Sie werden, sang er darin, schon als Kind auf Mann geeicht, haben Muskeln, sind furchtbar stark. Sie weinen heimlich und sind, auch das kommt darin vor, so verletzlich. Sie hätten es schwer, die Männer. Besonders schwer scheint es in der aktuellen Pandemie aber vor allem eine Männergruppe zu haben: Machos. Zu diesem Ergebnis kommt die Universität Fairleigh Dickinson (FDU) in New Jersey. Die Forscher haben rund 6000 US-Bürger befragt und herausgefunden, dass Männer, die sich als besonders männlich verstehen, ihre liebe Not mit den Schutzmaßnahmen haben. Ihre Idee von Männlichkeit und das daran geknüpfte Verhalten führe dazu, so das Ergebnis, dass sie sich dem Masketragen eher verweigern, Impfungen als unnötig abtun - und sich häufiger mit dem Coronavirus infizieren.
Mann, "echter" Mann - wer ist hier was? Die Kategorisierung haben nicht etwa die Wissenschaftler vorgenommen, sondern die Umfrage-Teilnehmer selbst. Grundlage war eine sechsstufige Skala, die von "komplett männlich" bis "komplett weiblich" reichte. Das Ergebnis: Mehr als zwei Drittel der befragten US-Männer, 68 Prozent, schätzte sich als "komplett männlich" ein, also ohne Abstufung. Das Selbstbild dieser Gruppe, stellten die Forscher fest, kommt der Virenabwehr ins Gehege - sie ist ihnen schlicht zu unmännlich.
Bloß keine Schwäche zeigen
"Viele Männer denken, dass es zum Maskulinum gehört, hart zu sein", beschreibt Dan Cassino, Professor an der Fairleigh Dickinson University und Leiter der Umfrage. Hart sein, bedeutet widerständig sein, den äußerem Umständen zu trotzen. Im Fall der Corona-Pandemie allerdings eher mit geschwollener Brust und nicht mit den von der Wissenschaft empfohlenen Maßnahmen. Eine Maske aufsetzen? Lächerlich. Impfungen? Brauchen nur Schwächlinge. "Sie denken", führt Cassino aus, "dass sie sowieso hart genug sind, um Covid zu überleben". Aber sind sie das? Tatsächlich zeigte sich im Rahmen der Befragung, dass Männer häufiger als Frauen an Corona erkranken. Und dass sich die Männer, die sich als besonders männlich verstehen, fast dreimal häufiger infizieren als andere Männer.
2,2 Prozent der "komplett männlichen" Männer gab an, sich kürzlich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert zu haben. Bei den nicht ganz so "komplett männlichen" Männern waren es hingegen 0,8 Prozent. Bei den Frauen gaben 1,4 Prozent an, kürzlich eine Corona-Diagnose erhalten zu haben. Eine Unterscheidung, die auf den ersten Blick marginal wirkt, dennoch handele es sich aufgrund der Stichprobengröße durchaus um eine Größenordnung, die sich "im normalen Bereich der statistischen Signifikanz" abspiele. Die Forscher verbuchen diesen Unterschied aber nicht als Macho-Angeberei im Sinne von 'Krank gewesen, nix passiert'. "Wenn überhaupt, würden wir vermuten, dass Männer, die sich Sorgen um ihre Männlichkeit machen, seltener einen Arzt aufsuchen", sagt Cassino.

Erhöhtes Risiko durch Macho-Gehabe
Die Wissenschaftler sehen die erhöhte Fallzahl in der Gruppe eher als Konsequenz der Macker-Attitude. Das Masketragen käme demnach einem Schwäche-Eingeständnis gleich, das Weglassen hingegen sei, so Cassino, ein sichtbares Symbol ihrer Überzeugungen, mit welchem sie signalisierten, dass sie keine Präventionsmaßnahmen nötig haben. Beinahe ein Viertel (24 Prozent) der Gruppe stimmte der Aussage zu, dass sie keiner dazu zwingen könne, eine Maske zu tragen, schließlich lebe man in einem freien Land. Eine Meinung, welche bei den anderen Männern nur zu 17 Prozent geteilt wurde. Masken, glauben immerhin 10 Prozent der besonders Männlichen, seien gefährlich für den Träger. 17 Prozent empfinden sie schlicht als unbequem. Bei den anderen Männern waren es jeweils vier Prozent weniger.
Und der Widerwille hört mit den Masken nicht auf. Auch andere Schutzmaßnahmen ignorieren sie, als habe Mutter Natur ihnen mit dem Geschlecht eine natürliche Virusresistenz mitgegeben. Sie empfangen weiterhin Gäste zu Hause (43 Prozent), nehmen an Versammlungen von 10 und mehr Personen teil (16 Prozent). Die anderen Männer waren mit 36 und 10 Prozent vorsichtiger. Aus diesen Verhaltensweisen resultiere eine erhöhte Ansteckungsgefahr, die sich in den Infektionszahlen widerspiegeln. Oder wie es Cassino formuliert: "Der Versuch, ein Macho zu sein, hat für einige Männer reale Konsequenzen."
Und auch die Impfskepsis ist bei der Gruppe, die sich als "komplett männlich" bezeichnet, höher. 21 Prozent (bei den anderen waren es 17 Prozent) gaben an, dass es "sehr unwahrscheinlich" sei, dass sie sich gegen Corona impfen lassen werden. Dahinter stecke die Idee, dass man sich nicht impfen lassen muss, wenn man stark genug ist, erläutert Cassino. "Für diese Männer ist es eine Art, Stärke zu zeigen, wenn sie sagen, dass sie keine Präventionsmaßnahmen ergreifen wollen."