Jede zehnte medizinische Behandlung in der Europäischen Union ist nach Angaben der Brüsseler EU-Kommission fehlerhaft. "In rund zehn Prozent der Fälle entsteht in der EU bei medizinischen Behandlungen Schaden", sagte Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou der "Welt". Medizinische Fehler seien eine echte Herausforderung für die europäischen Gesundheitssysteme. Vassiliou forderte die Mitgliedsstaaten auf, die Sicherheit und die Rechte der Patienten zu verbessern. "Dazu gehört auch, dass im Falle von medizinischen Behandlungsfehlern Klagen erleichtert werden und eine Entschädigung sichergestellt wird."
Auch der Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale (VZBV), Gerd Billen, forderte mehr Rechte für Patienten. Die Bundesregierung müsse ein "Patientenrechtegesetz" verabschieden, das Rechte und Pflichten zwischen Arzt und Patient klar regele, sagte er der "Welt". "Für die Opfer ist es wichtig, dass entstandene Schäden möglichst unkompliziert geregelt werden. Leider ist dies derzeit selten der Fall, weil die Beweislast meist beim geschädigten Patienten liegt. Dies muss geändert werden." Wenn ein Behandlungsfehler gutachterlich festgestellt worden sei, sollte der Arzt nachweisen müssen, dass sein Fehler nicht zu den Gesundheitsschäden geführt habe, forderte Billen.
In Deutschland landen laut "Welt" rund 10.000 Fälle jährlich vor Gericht oder bei den medizinischen Diensten der Krankenversicherer, weil Patienten sich falsch behandelt fühlen. Insgesamt würden rund 40.000 Fälle pro Jahr bekannt, in denen sich Patienten falsch behandelt fühlen - die Dunkelziffer liege nach Angaben von Experten aber deutlich höher. Am häufigsten werden laut Bundesärztekammer Chirurgen Fehler vorgeworfen. Es folgen Orthopäden, Internisten und Gynäkologen. In der EU treten laut Kommission pro Jahr allein in Krankenhäusern bei medizinischen Behandlungen in 15 Millionen Fällen Fehler auf.
Jährlich 560.000 Fehler in Deutschland
In deutschen Krankenhäusern kommen pro Jahr bis zu 560.000 Fehler bei Behandlung und Pflege vor - bei insgesamt 17 Millionen Behandlungsfällen. Das schätzt das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Fehler, vermeidbare Infektionen und unerwünschte Arznei-Nebenwirkungen führen im Krankenhaus nach Schätzungen zu mehr als 5000 Todesfällen im Jahr.
Zwar verläuft der Großteil der Klinikbehandlungen und der 400 Millionen Kontakte zwischen niedergelassenen Ärzten und Patienten nach den Regeln ärztlicher Kunst. Aber schätzungsweise 40.000 Patienten gehen im Jahr gegen ihre Ärzte vor. 7049 Gutachten schrieben die zuständigen Stellen der Ärztekammern zu Beschwerden. In 1717 Fällen erkannten die Gutachter auf Kunstfehler und Anspruch auf Schadenersatz. Verbraucherschützer gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.Die meisten festgestellten Fehler gab es bei der Behandlung von Knochenbrüchen, von Hüft- und Kniegelenkverschleiß und von Brustkrebs. Auch entzündete Blinddärme würden wegen der schwierigen Diagnose nach wie vor regelmäßig zu spät operiert.