"Mensch, Herr Erichsen, Sie habe ich ja schon lang nicht mehr gesehen. Waren Sie etwa krank?" In der Frage des Arbeitskollegen schwingt echte Sorge mit. Dabei kenne ich ihn nur ganz flüchtig. Unser einziger Berührungspunkt bisher: Ein gelegentliches Schwätzchen in der Raucherecke. Seit ich mich dort nicht mehr aufhalte, habe ich eine ganze Reihe von Kollegen nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Rauchfreie Zone
Björn Erichsen, Jahrgang 74, lebt und arbeitet als Journalist in Hamburg. Schwerpunkte sind Politik, Kultur, Medien und Sport. Seit neuestem treibt ihn die Frage um, ob man sich nach 120.000 Zigaretten noch einmal Nichtraucher nennen darf.
Eifersucht auf den Neuen
Nichtrauchen hat soziale Folgen. Der Glimmstängel verbindet Menschen, auch und vor allem am Arbeitsplatz. Die kleine und noch dazu bezahlte Arbeitsunterbrechung namens Rauchpause wird gerne mitgenommen. In der Raucherecke trifft man die Kollegen mal ganz ungezwungen und bekommt Neuigkeiten stets brühwarm kredenzt. Nirgendwo sonst ist der unternehmensinterne Flurfunk so gut zu empfangen.
Schwerer wiegt für mich aber der Verlust meiner lieb gewonnenen Rauchpartnerin. Mehrmals täglich plauderten wir bei Kaffee und Zigarette. Einfach schöne Momente. Als ich aufhörte, hat sie mich unterstützt, wo sie konnte. Wenn sie zum Rauchen ging, hat sie sich wortlos aus dem Büro geschlichen, um mich nicht in Versuchung zu führen. Jetzt hat sie einen Neuen, mit dem sie ihre Zigaretten teilt. Am Freitag traf ich sie beide auf dem Flur und ja, da war ein leichter Stich.
Der Alltag ist das Problem
Beim letzen Mal hatte ich geschrieben, wie gut es mir ohne Zigaretten geht. Das stimmt auch. Meistens zumindest. Die großen Schmachtattacken sind passé, dafür meldet sich die Sucht nun subtiler zurück. Es ist schwer zu beschreiben: Es ist eine Art Taubheitsgefühl, das ganz unvermittelt auftaucht und so schnell nicht vergehen will. Ich fühle mich dann leer, bekomme keine Zeile zu Papier. Einziger denkbarer Blockadebrecher natürlich die verbotene Frucht: Zigaretten. Zumindest versucht irgendetwas in meinem Kopf mir genau das zu verklickern.
stern.de-User "HanseMike" hatte es in seinem Beitrag unter dem letzen Artikel auf den Punkt gebracht: Das Problem beim Suchtentzug liegt nicht in der Entgiftung sondern in der Alltagsbewältigung. Das kann ich nur bestätigen: Für mich ist Nichtrauchen inzwischen zur Normalität geworden. Am Anfang konnte ich die Siege über die Sucht noch richtig feiern, stolz die rauchfreien Stunden zählen. Jetzt muss ich im Kleinen standhaft sein und mich mit meinem neuen Alltag abseits der Raucherecke arrangieren. Bisher habe ich durchgehalten. Am Montag um 17 Uhr sind es drei Wochen.