US-Forscher haben nach eigenen Angaben erstmals menschliche embryonale Stammzellen gewonnen, ohne dabei den Embryo zu zerstören. Dieser Erfolg könnte nach Ansicht der Wissenschaftler um Robert Lanza von der US-Firma Advanced Cell Technology in Worcester (US-Bundesstaat Massachusetts) helfen, ethische Bedenken gegen die Erforschung und medizinische Nutzung embryonaler Stammzellen zu mindern. Wie viele andere Länder hat auch Deutschland die Gewinnung embryonaler Stammzellen des Menschen verboten, weil dabei Embryonen zerstört werden.
Stammzelllinie aus einer einzigen Zelle
Das neue Verfahren entnimmt einem zehnzelligen Embryo lediglich eine einzige Zelle, wie Lanzas Team in einer Online- Vorabveröffentlichung des britischen Fachjournals "Nature" berichtet. Es gleicht der Technik, mit der schon länger mögliche genetische Anomalien eines Embryos nach einer künstlichen Befruchtung im Reagenzglas (In-Vitro-Fertilisation; IVF) untersucht werden. Diese so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) ist in Deutschland allerdings ebenfalls verboten, weil dem Gesetz zufolge Embryonen bei einer künstlichen Befruchtung nicht nach ihrem Erbgut ausgewählt werden dürfen.
Normalerweise werden embryonale Stammzellen gewonnen, indem aus dem Blastozysten-Stadium des Embryos eine größere Zellmasse entnommen wird, was den Embryo zerstört. Im vergangenen Jahr hatte Lanzas Gruppe jedoch bereits gezeigt, dass sich aus einer einzelnen Zelle eines Maus-Embryos eine Stammzellkolonie züchten lässt. Die Forscher entnahmen nun 16 menschlichen Embryonen, die gerade erst aus acht bis zehn Zellen bestanden, je eine Zelle und setzten diese in eine Nährlösung. Aus 2 der 16 Zellen gingen stabile Stammzelllinien hervor, die sich auch nach acht Monaten noch genauso verhielten wie die bisher bestehenden Linien.
Das menschliche Ersatzteillager rückt näher
Das Forscherteam folgert, dass Stammzelllinien sogar routinemäßig aus jenen Zellen gewonnen werden könnten, die Reagenzglas-Embryonen im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik entnommen werden. Diese Nutzung würde das "klinische Ergebnis" einer Fruchtbarkeitsbehandlung nicht beeinträchtigen, das heißt, dem menschlichen Embryo nicht schaden, betonen Lanza und Kollegen in "Nature". Aus den Stammzellen könnten für die aus dem Embryo heranwachsenden Kinder oder ihre Geschwister bei Bedarf möglicherweise sogar Ersatzgewebe und -organe zur späteren Behandlung lebensgefährlicher Krankheiten gewonnen werden.
DFG: US-Ergebnisse erst sorgfältig prüfen
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Meldunge zurückhaltend aufgenommen. Vor allem müsse näher geprüft werden, ob und inwieweit möglicherweise doch eine Schädigung von Embryonen vorliege, sagte DFG-Sprecherin Eva-Maria Streier am Donnerstag in Bonn.
Die DFG habe wiederholt Änderungen an der deutschen Gesetzgebung mit der Stichtagsregelung gefordert, um bessere Bedingungen für die Forschung zu schaffen. Embryonale Stammzellen, die vor dem Stichtag 1. Januar 2002 im Ausland gewonnen worden seien, seien für die heutige Forschung weitgehend unbrauchbar. Die DFG plädiere daher für eine zeitlich "nachlaufende Regelung". Dies bedeute. dass mit fortlaufender Zeit sich auch der Stichtag zeitlich nach hinten verschiebe. Außerdem müsse für deutsche Forscher eine Arbeit im Ausland - etwa im Stammzellforum in Sheffield in England - möglich sein, was das Gesetz bisher untersage.