Zwischen den Apotheken in Deutschland und der Bundesregierung rumort es. Nachdem es Mitte Juni bereits einen Protesttag gab, bei dem etliche Filialen geschlossen blieben, geht der Streit jetzt in eine neue Runde. Die Brache sieht sich unterfinanziert, beklagt Personalnot und warnt vor einer schlechteren Versorgung mit Arzneimitteln.
Auswirkungen der Auseinandersetzung werden daher auch an diesem Mittwoch einmal mehr die Kundinnen und Kunden spüren: Bundesweit sollen viele Apotheken von 13 bis 16 Uhr geschlossen sein, hatte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) bereits am Dienstag mitgeteilt, einen Tag vor dem Auftakt des Deutschen Apothekertags. Dieser startet am Mittwochmittag. Bis Freitag beraten Delegierte aus 17 Apothekerkammern sowie 17 Apothekenverbänden über die Lage der Branche.
Just zum Start des Verbandstreffens sollen dann viele Apotheken in Deutschland für ein paar Stunden schließen. Die Versorgung der Bevölkerung werde in dieser Zeit durch die Notdienst-Apotheken sichergestellt, heißt es aber.
Apotheken wollen sich Lauterbachs Grußwort in Ruhe anhören
Offizielle Begründung für die Schließungen: Den Apothekenteams solle die Möglichkeit gegeben werden, das Grußwort von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Eröffnungsveranstaltung des Apothekertags live im Internet zu verfolgen. Persönlich kommt der Minister nicht nach in Düsseldorf. Er wird eine zugeschaltete Rede halten. Wie lange diese dauert, war im Vorfeld nicht bekannt.
Mehr als 300 Delegierte der Branche aus allen Teilen Deutschland sind ab Mittwoch in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens versammelt. Die Stimmung unter den Pharmazeuten hierzulande ist schlecht. Bei einer aktuellen repräsentativen ABDA-Umfrage gaben rund zwei Drittel (63,6 Prozent) der befragten Apothekenbetreiber an, sie befürchteten, dass sich die wirtschaftliche Lage ihrer eigenen Apotheke in den nächsten zwei bis drei Jahren verschlechtern werde. Für die Branche sahen sogar über 80 Prozent der Befragten düstere Zukunftsperspektiven.
Die Apothekerverbände fordern deshalb eine rasche Erhöhung der Apothekenvergütung um 2,7 Milliarden Euro pro Jahr sowie für die Zukunft eine automatisierte Kopplung des Honorars an die Kostenentwicklung. Der für die Apothekenhonorierung besonders wichtige Festzuschlag auf die per Rezept verordneten Medikamente sei zuletzt 2013 erhöht worden, begründet die ABDA die Forderung.
"Die Apotheken mühen sich ab, haben dabei aber den Eindruck, dass ihr Einsatz in der Gesundheitspolitik weder ausreichend wahrgenommen, noch sonderlich gewürdigt oder gar angemessen honoriert wird", beklagte ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening im Vorfeld des Apothekertages.
Lauterbachs neuer Vorschlag bringt Apotheker endgültig auf die Palme
Minister Lauterbach hatte sich in der Mittwochsausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zur Lage der Apotheken geäußert und flexiblere Voraussetzungen für die Einrichtungen besonders in ländlichen Gegenden vorgeschlagen. "Damit keine Unterversorgung entsteht, werden wir Filialgründung und -betrieb auf dem Land erleichtern", sagte der SPD-Politiker. So sollen laut Ministerium für Zweigstellen Anforderungen etwa zu Labor-Einrichtungen und zu verpflichtenden Nacht- und Notdiensten wegfallen sowie Öffnungszeiten flexibler gehandhabt werden können.
In Filialen sollen auch Pharmazeutisch-Technische Assistenten als Vertretung vor Ort beraten können, wenn sie in digitaler Verbindung zu einem Apotheker oder einer Apothekerin in der Hauptapotheke stehen. Als Anreiz sollen in strukturschwachen Gebieten zudem auch Honorare erhöht werden. Teil der Gesetzespläne soll außerdem – wie von Lauterbach bereits angekündigt – sein, dass Apotheken bei knappen Kinderarzneimitteln leichter Austauschpräparate einsetzen können.
Vom Apothekerverband ABDA kam umgehend scharfer Protest. Die Pläne würden den Apotheken "komplett den Boden unter den Füßen wegziehen", sagte Präsidentin Overwiening. Die Beratung durch approbierte Apothekerinnen und Apotheker würde zusammengestrichen, für Notdienste müssten Patienten lange Strecken fahren. "Die Annahme des Ministers, dass es mit seinen Plänen mehr Filialgründungen geben könnte, ist an den Haaren herbeigezogen."
Aktuell erscheint die Lage verfahren. Der Streit zwischen Apotheken und der Bundesregierung dürfte noch lange nicht gelöst sein.
Quellen: dpa, Abda
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