Auf dem Weg nach Hause krachte es: Meine Tragetasche aus Papier war unter dem Gewicht zweier Shampooflaschen gerissen, der Inhalt kullerte über den Bürgersteig. Ich bückte mich, fischte in der Dämmerung nach dem Einkauf, sah, wie das Ende meines Schals eine trübe Pfütze streifte - und hörte dann einen lauten Knall. Ein Autounfall, wenige Meter hinter mir, direkt auf der Kreuzung.
Aus dem zerquetschten Motorraum eines Golfs stieg Rauch auf. Mir stockte der Atem. Der Tag hatte so unerfreulich angefangen, wie er nun zu Ende ging: Da war der Regenschauer, der in dem Moment einsetzte, als ich das Haus verlassen wollte. Hinzu kam der Ärger über den defekten Fahrkartenautomaten, die verpasste U-Bahn. Als bei der Arbeit dann auch noch mein Laptop streikte, war ich wirklich bedient: In solchen Momenten komme ich mir wie die Hauptdarstellerin in einem schlechten Alltagsdrama vor, ich schalte intuitiv auf Tunnelblick, der Tag rauscht an mir vorüber. Schluss damit!
Fünf Ereignisse, für die man dankbar ist
Ich greife zu Stift und Zettel, widerstehe dem Drang, alles aufzuschreiben, was mich heute belastet hat - und überlege. Worüber habe ich mich gefreut? Erster Punkt: Gleich nach dem Aufstehen lief mein Lieblingslied im Radio. Dann war da noch die Kollegin, die mir geholfen hat, meinen Laptop zum Laufen zu bringen - der zweite Punkt. Abends beim Einkaufen konnte ich den letzten Brokkoli erwischen, den ich dringend für das Abendessen brauchte, und der dann auch noch besonders gut schmeckte. Punkt drei und vier. Jetzt sehe ich, dass der Tag richtig schöne Momente hatte.
Zugegeben: Ich habe weder im Lotto gewonnen noch einen besonders großen Erfolg gefeiert. Und merke: Das ist gar nicht nötig. Inspiriert zu diesen Gedanken hat mich ein Buch von Andreas Hillert. Er ist Psychiater an der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee und empfiehlt dauergestressten Menschen, sich jeden Abend an fünf Ereignisse des Tages zu erinnern, für die sie dankbar sind. Jene anscheinend "nebensächlichen Kleinigkeiten", die sie trotz aller Misslichkeiten erleben. Es wirkt, auch bei mir.
Ein Tagebuch der Glücksmomente
Ich betrachte den Zettel in meinen Händen. Es ist nur ein Blatt Papier, aber ein Anfang. Ich nehme mir vor, ein schönes Notizbuch zu kaufen, das ich mit all den Dingen füllen werde, für die ich dankbar bin. Ein Tagebuch der Glücksmomente. Auch der Autounfall ist plötzlich wieder präsent. Ich denke daran, wie ich mein Handy aus der Tasche zog, um den Notarzt zu rufen. In der Zwischenzeit war der Fahrer des Golfs ausgestiegen, er knallte mit der Autotür, warf seine Hände in die Luft und fluchte aus Wut über sich selbst. Und ich? War einfach nur dankbar, dass niemandem etwas passiert war - mein fünfter Punkt.
Zum Weiterlesen:
Andreas Hillert: "Burnout – Zeitbombe oder Luftnummer?", Schattauer, 2014, 133 Seiten, 24,99 Euro